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Unterwegs auf Japans Hauptinsel

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5. Oktober (Samstag)

Japan, dessen acht große Inseln laut Mythologie von den Geschwistern und Ehepaar[1][1] Das sind ja beinahe Zustände wie auf einer österreichischen Alm. Izanagi und Izanami erschaffen wurden, besteht aus insgesamt 6852 Inseln[2][2] Ich habe aber nicht persönlich nachgezählt., von denen ich bereits die Hauptinsel Honshū, deren Fläche größer ist als die aller anderen zusammen, im Jahre 2007 angekratzt hatte. Dirk war damals nicht dabei gewesen, wodurch er dort einen weißen Fleck auf der Landkarte hatte, den er schließen wollte. Für mich galt es, mehr vom Hinterland zu erleben. Mit dabei war wieder Michael I.[3][3] Vgl. https://www.in-80-wochen-um-die-welt.de/japan.php, sowie eine illustre Gruppe aus fünf weiteren Leuten, die ich teilweise nur einmal vorher getroffen hatte.

Obwohl Dirk und ich die Flugtickets schon ein knappes halbes Jahr vorher gebucht hatten und dies auch von Opodo im Vorfeld per Mail, per Telefon und im Internet bestätigt wurde, stellte sich heraus, dass es einen Fehler im System zwischen Opodo und Air China gab, sodass wir ohne Flug dastanden.[4][4] Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es sich um einen Fehler oder um System handelt. Ein Herr, den ich zufällig in der Bahn getroffen habe, hatte ein ähnliches Problem mit der Firma und sprach von 100 Geschädigten. Wir mussten uns also kurzfristig selbstständig um Ersatz kümmern, während Opodo weder schon abgebuchtes Geld noch zusätzliche Kosten erstattete. Anfangs wurde zumindest noch auf meine Beschwerde reagiert, später stellte sich das Unternehmen einfach tot.[4b][4b] Ergänzung: Erst anderthalb Jahre später nach der Erwirkung eines Mahnbescheids und Beantragung eines Vollstreckungsbescheids beim Amtsgericht wurde mir das uns zustehende Geld kommentarlos überwiesen. Glücklicherweise fanden wir noch freie Flüge, Wieso bin ich der einzige, der Richtung Burg fotografiert?
Wieso bin ich der einzige, der Richtung Burg fotografiert?
sodass wir den Urlaub nicht absagen mussten, auch wenn wir erst einen Tag später starten konnten und den geplanten Abstecher nach Nagasaki und Gunkanjima streichen mussten.

5. Oktober (Samstag)

Der Flug war nach den Aufregungen im Vorfeld erfreulich ereignis-, aber leider auch schlaflos, sodass wir leicht gerädert in den Tag starteten. Nach dem Bezug des Appartements und dem Besuch in einem chinesischen Restaurant[5][5] Natürlich wollten wir am ersten Tag unbedingt landestypisch essen. spazierten wir zum Osaka Castle, das wir sorgfältig von innen und außen auseinander nahmen. Die bei ihrer Fertigstellung im Jahre 1583 als uneinnehmbar geltende Burg wurde bereits 32 Jahre nach Baubeginn zerstört, wieder aufgebaut, wieder zerstört, wieder aufgebaut, wieder zerstört und so weiter,[6][6] Das letzte Mal wurde das Bauwerk 1955 im Film „Godzilla kehrt zurück“ dem Erdboden gleich gemacht. aber streng genommen nie eingenommen. Man hätte denken, können, dass die Japaner irgendwann genug davon hatten, aber dem scheint nicht so zu sein. Eigentlich wollten wir auch gleich das historische Museum ein paar hundert Meter entfernt mitzunehmen, aber dafür wären wir nicht wach genug gewesen. So tranken wir stattdessen einen Cappuccino respektive eine Cola, genossen die Sonne und fotografierten die Burg dann erneut während der blauen Stunde[7][7] Die blaue Stunde ist die Zeit kurz vor dem Sonnenuntergang, wenn das Licht besonders weich ist..

Anschließend kehrten wir ins Hotel zurück, wo sich unsere Gruppe[8][8] Sind zwei Personen schon eine Gruppe? stark vergrößerte: Dennis, Jeremi, Malte, Michael und Tobias stießen zu uns. Sie waren schon ein paar Tage vor uns in Japan aufgeschlagen und heute mit der Bahn nach Osaka gekommen. Diese Zusammenstellung hatte den Vorteil, dass wir japanisch sprechende Leute dabei hatten, die auch Personen vor Ort kannten. So trafen wir uns gleich am ersten Abend mit ein paar Japanern, die Tobias kannte, im Restaurant und aßen vergnügt gemeinsam, wobei Dirk und ich uns relativ früh absetzten, um etwas Schlaf nachzuholen. Eigentlich sind Torii Eingangstore zu Schreinen oder zu einem Areal davon. Hier müsste man also ständig einen neuen Teil der Tempelanlage betreten haben.
Eigentlich sind Torii Eingangstore zu Schreinen oder zu einem Areal davon. Hier müsste man also ständig einen neuen Teil der Tempelanlage betreten haben.
Tobias verschwand dagegen spätabends noch in einer Disco und kam dann nicht mehr ins Hotel, ohne für zu viel Lautstärke zu sorgen. Daher entschloss er sich, in einem anderen Hotel, das eine 24-Stunden-Rezeption besaß, zu übernachten, und am nächsten Morgen wieder zu uns zu stoßen.

6. Oktober (Sonntag)

Wir hatten zu sechst[9][9] Malte hatte sich ein Einzelzimmer gebucht. in einem Appartement in drei Räumen übernachtet. Das Aufbrechen am Morgen ging überraschend gut. Da hatte ich Schlimmeres befürchtet.

Zunächst steuerten wir mit der Bahn Kyoto an, das gut 60 km von Osaka entfernt liegt. Die Stadt war tausend Jahre lang Sitz des kaiserlichen Hofes. Da sie außerdem im Zweiten Weltkrieg von Luftangriffen verschont wurde, beherbergt sie heute viele gut erhaltene Tempel und Schreine und gilt als eines der beliebtesten Touristenziele Japans. Füchse gelten als Boten der Gottheit Inari. Die Farbe Rot soll besonders wirksam beim Abhalten des Bösen sein. Ist das der Grund, warum ich immer mit Rot korrigiere?
Füchse gelten als Boten der Gottheit Inari. Die Farbe Rot soll besonders wirksam beim Abhalten des Bösen sein. Ist das der Grund, warum ich immer mit Rot korrigiere?
Unser erster Anlaufpunkt war der Fushimi Inari-Taisha, ein Shinto-Schrein.[10][10] Der Shintoismus („Weg der Götter“) ist eine Religion, die vermutlich in Japan entstanden ist. Der Buddhismus, der dort auch weit verbreitet ist, stammt dagegen aus Indien und wurde importiert.

Vor Ort stellte sich schnell heraus, dass es doch ein anderes Besichtigen mit so vielen Leuten war, insbesondere wenn es sich dabei um sieben Individuen mit deutlich unterschiedlichen Vorstellungen handelte. Insbesondere lief Vieles sequentiell ab, was eigentlich auch hätte parallelisiert werden können. Der eine musste einen Aufnäher kaufen, dann ging der zweite los, um etwas zu essen zu erwerben. Danach begann der nächste, sich mit Sonnencreme einzureiben, und anschließend wollte wieder jemand Anderes ein paar Fotos machen. Ganz so schlimm war es natürlich nicht, aber immer wieder musste man auf jemanden warten. Auch wenn es sich jeweils nur um eine Minute handelte, so läpperten sich die Zeiten schnell zusammen.

Der Fushimi Inari-Taisha, der von den circa 100.000 Shinto-Schreinen in Japan die meisten Besucher hat, glänzte durch die ebenso vermutlich meisten Torii, weil es davon fast so viele wie Sand am Meer gab.[11][11] Von letzteren (den Sandkörnern am Meer) soll es laut einer Berechnung der Universität von Hawaii übrigens ca. 7,5 Trillionen Sandkörner (7 500 000 000 000 000 000) geben. Manchmal frage ich mich, ob einige Leute nicht zu viel Zeit haben … Die Anlage war sehr schön und – nachdem wir ein wenig hinein bzw. hinauf spaziert waren – auch nicht mehr so überfüllt wie am Eingang.

Am Nachmittag besuchten wir den Ginkaku-ji, den Tempel des Silbernen Pavillons, der allerdings keinen silbernen Pavillon enthält. Na ja, man kann nicht alles haben. Dafür bestach der eher unscheinbare Zen-Tempel mit seiner Umgebung. Schöne Gärten können die Japaner wirklich gut herstellen. Das gleiche gilt für Glas- und Stahlkonstruktionen, die wir beispielhaft in Form des Bahnhofs von Kyoto in der Abenddämmerung bzw. in Dunkelheit bewunderten. Die Nachtaufnahmen von Osaka vertagten wir auf später.

Während in Deutschland das Thema „Müllvermeidung“ eine so wichtige Rolle spielt, dass selbst die Benutzung von Plastikstrohhalmen schon fast dazu führt, dass man gesteinigt wird, so schien das in Japan anders zu sein. Jedes bisschen Essen, das man im Supermarkt erwirbt, ist mehrfach eingeschweißt und die Getränke kommen meist in Dosen oder Plastikflaschen aus einem der Automaten, die an jeder Ecke herumstehen. Mülleimer sind dagegen Mangelware.[12][12] Dies ist evtl. eine Auswirkung des Saringasangriffs der Aum-Sekte von 1995. 2018 wurden die Hauptverantwortlichen am Terroranschlag hingerichtet. Angeblich wird rund 3 % des Stroms in Japan für den Betrieb der 5,5 Millionen Automaten benötigt.
Angeblich wird rund 3 % des Stroms in Japan für den Betrieb der 5,5 Millionen Automaten benötigt.
Trotzdem liegt sehr wenig Müll in der Gegend herum und die vorhanden Abfallbehälter sind selten überfüllt.[13][13] Die kulturelle Erwartung in Japan ist wohl, dass jeder seinen Müll selbst wieder mit nach Hause nimmt und dann zu Hause entsorgt.

Malte und Jeremi fragten abends im Hotel an der Rezeption nach einer dünneren Decke, weil ihnen in der vorherigen Nacht zu warm war. Dort wurden sie darauf hingewiesen, dass sie doch einfach die Klimaanlage anmachen könnten.[14][14] Dies ist auch eine Möglichkeit, mit dem Klimawandel umzugehen.

7. Oktober (Montag)

Heute machten wir uns zu fünft auf den Weg zum Osaka Museum of History. Wegen des Wetters, das morgen deutlich schlechter sein sollte, wäre es eigentlich dann besser geeignet gewesen, aber leider schien Dienstag der Tag zu sein, an dem die Museen in Osaka ihre gewerkschaftlich verordnete Pause hatten.

Osaka, was mit „großer Hügel“ übersetzt werden kann, ist genau davon umgeben. Es ist mit 2,7 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt Japans und soll zehn Jahre zuvor die zweitteuerste Stadt der Welt nach Tokio gewesen sein.[15][15] Warum habe ich eigentlich noch nie in der günstigsten Stadt der Welt Urlaub gemacht? Dank der informativen Audioguides verbrachten wir sehr viel Zeit im Museum und erfuhren einiges über diese Metropole. Ein gutes Museum zur Geschichte ganz Japans haben wir leider während unseres ganzen Urlaubs nicht gefunden.

Anschließend ließen wir die geplante Free Walking Tour sausen und nahmen uns nach dem Essen das Illusion Museum vor. Die Vorstellung war nett, der Gang durch das Museum auch, allerdings was es irgendwie etwas kurz und enthielt zu wenig Informationen. Ich hatte darauf gehofft, Nach dem Essen machte der harte Kern (Dirk, Michael und ich) noch ein paar schöne bis kitschige Nachtbilder von der Burg.
Nach dem Essen machte der harte Kern (Dirk, Michael und ich) noch ein paar schöne bis kitschige Nachtbilder von der Burg.
dass dort ein paar Zaubertricks entschlüsselt werden würden, was allerdings nicht der Fall war.

Zum Abendessen gab es Okonomiyaki[16][16] Frei übersetzt bedeutet das: „Brate, was du willst!“, bei dem das Essen traditionell am Tisch auf einer heißen Platte angerichtet wird. An einem Tisch aßen Michael, Dennis und ich, während die anderen an einem zweiten Tisch speisten. Es war ein ungleicher Kampf. Am Ende des Abends hatten wir drei zusammen so viel zu zahlen wie jeder einzelne der vier anderen.

8. Oktober (Dienstag)

Zu fünft besuchten wir das Kaiyūkan, eines der größten Aquarien der Welt, in dem auch der größte Fisch der Gegenwart, der Walhai, bestaunt werden kann. Dirk und ich waren mit diesem Ungetüm schon zwei Jahre zuvor schnorchelnd im Golf von Mexiko auf Tuchfühlung gegangen, was natürlich noch schöner ist, weil sie sich dort in ihrer natürlich Umgebung befanden, aber dafür konnte man so das Ungetüm mit viel mehr Muße und ohne Atemprobleme verfolgen. Wenn Dirk und ich Tiere beobachten können, dann sind wir eigentlich immer zufrieden.

Anschließend besichtigten wir noch den etwas verwaisten Sumiyoshi Taisha Grand Shrine mit seiner berühmten Trommelbrücke und schlenderten durch hübsche Parks und über kleine Märkte mit leckeren Speisen. Unsere Handys lieferten uns dabei viele gute Informationen zu den Sehenswürdigkeiten und führten uns von Ort zu Ort, wobei es manchmal überraschend war, wie viel die Apps eigentlich wussten. Im Aquarium gab es auch eine Streichelwiese für Rochen und andere Fische.
Im Aquarium gab es auch eine Streichelwiese für Rochen und andere Fische.
So war schon beim Einsteigen klar, welchen Waggon wir nehmen mussten, um dann direkt vor dem richtigen Ausgang der U‑Bahn-Station zum Stehen zu kommen. Klar, dass wir auch rechtzeitig eine Erinnerung zum Aussteigen bekamen, damit wir nicht zu weit fuhren.

Jonathan stieß heute als achter zu unserer Reisegruppe. Trotzdem konnten wir in einem winzigen Restaurant, das nur sieben Sitzplätze aufbot, Ramen (japanische Nudelsuppe) essen, da Tobias beim Arzt war. Die Behandlung sei hier preiswerter als in der Schweiz, wo er sonst wohnte.[17][17] Der Ersparnis war besonders groß, da er nie eine Rechnung bekommen hat. Als wir die gute siebensitzige Stube entern wollten, zahlte der eine Gast sofort, der zweite aß so schnell er konnte, aber nicht weil er Angst vor uns hatte. Nein, die Höflichkeit der Japaner gebot es, für uns Platz zu machen, damit wir als Gruppe zusammen dinieren konnten.

9. Oktober (Mittwoch)

Um neun Uhr nahmen wir unsere Gefährte für die nächsten sieben Tage entgegen. Dirk übernahm die Hauptverantwortung für den Kombi, der vier Personen und etwas Gepäck verkraften konnte, ich krallte mir den deutlich besser ausgestatteten und moderneren Minivan, der locker den Rest unterbrachte. Dies erwies sich als sinnvolle Kombination, da zwei Kombis alleine nicht ansatzweise gereicht hätten.

Die Japaner fuhren deutlich schneller, als eigentlich erlaubt war. Wenn auf einer Überlandstraße 80 km/h ausgeschrieben war, dann schubsten uns noch bei 90 km/h die LKW von der rechten[18][18] In Japan herrscht Linksverkehr. Spur. Dirk und ich pendelten uns daher knapp unter 100 km/h ein, Jonathan und Malte, unsere beiden Jungspunde, schienen aber nach oben keine Grenze zu kennen.

In Japan sind viele Überlandstrecken kostenpflichtig. Dafür waren in den Fahrzeugen Geräte verbaut, die beim Durchfahren der Tollgates den Betrag automatisch von der Kreditkarte abbuchen sollten. So fuhren wir unbesorgt durch die erste geöffnete Schranke hindurch, woraufhin eine nett sprechende Stimme im Auto irgendetwas auf Japanisch erzählte. Meinetwegen hätte es frei nach Douglas Adams „Sie haben eine einfache Mautstation sehr glücklich gemacht.“ sein können. Das hatten wir aber gerade nicht! Die japanisch-kundigen unter uns wurden misstrauisch und nach ein paar Telefonaten mit der Autovermietung stellte sich dann heraus, dass wir zwar Anlagen für die automatische Abbuchung der Maut im Auto hatten, Immerhin kamen wir noch rechtzeitig, um ein paar schöne Fotos von Magome im Nachmittagslicht zu machen.
Immerhin kamen wir noch rechtzeitig, um ein paar schöne Fotos von Magome im Nachmittagslicht zu machen.
diese allerdings nicht mit Karten bestückt waren, sodass wir in bar zahlen mussten. Das erste Mal hatten wir also bereits verpasst, aber überraschenderweise ist bis heute kein Bußgeldbescheid eingetrudelt.

Auch diesmal hatten wir bei unserer zeitlichen Planung die Probleme beim Vorwärtskommen mit acht Individuen nicht genügend antizipiert. Der eine Reisende benötigte länger für die Essensauswahl, der zweite musste noch schnell im Laden einen Becher kaufen, ein dritter kaute langsamer, der vierte blieb kurz stehen, um ein Motiv zu sondieren, und der fünfte plauderte mit japanischen Hotelangestellten …[19][19] Ja, ich weiß: Ich bin verwöhnt. Und dann musste es plötzlich auch noch drei Mahlzeiten pro Tag geben![20][20] Ich hatte Dirk das schon fast abgewöhnt.

Magome und Tsumago sind sehr hübsche Orte an der alten Poststraße von Kyoto nach Edo[21][21] Das ist der frühere Name von Tokio.. Da wir leider erst viel zu spät dort aufschlugen, konnten wir nur noch die wunderschön restaurierten Häuser betrachten, mussten aber auf die Wanderung zwischen den Orten verzichten.

Anschließend aßen wir in einem Sushi-Restaurant mit Förderbändern, von denen man sich das, was man möchte, herunternehmen kann. Abgerechnet wird dann anhand der Anzahl und Farbe der kleinen Tellerchen, die sich im Verlaufe der Mahlzeit auf dem Tisch sammeln. Auch hier hat wieder der Tisch, an dem ich nicht saß, deutlich gewonnen.[22][22] Ich frage mich nur, woran das liegt.

Kurz vor dem Schlafengehen besuchte ich die „Gemeinschaftsbadewanne“ des Hotels, die ich allerdings ganz für mich alleine hatte. Als Gaijin[23][23] Das ist ein negativ belasteter Ausdruck für Nichtjapaner. machte ich dabei natürlich einiges falsch, weil ich in meiner normalen Kleidung dort auflief und nicht im dafür vorgesehen Kimono.[24][24] Was ein Gaijin natürlich auch nicht weiß: In Wirklichkeit wäre der Yukata, der sowohl zu Sommerfesten als auch zum Schlafen angezogen werden kann, die richtige Wahl gewesen. Bei der Wanne handelte es sich um eine Art sechs Quadratmeter großen Whirlpool ohne „Whirl“. Obwohl er sehr schön heiß war, blieb ich nicht sehr lange, weil ihm die Bequemlichkeit fehlte, während ich sonst zu Hause durchaus anderthalb Stunden im feuchten Nass aushalten kann.

Frei nach der niederdeutschen Redewendung „Rein in die Pantoffel, raus aus den Pantoffeln.“ ist es in Japan ein ewiges Hin und Her mit der Fußbekleidung. Bereits am Eingang tauscht man seine Straßenschuhe gegen Hausschuhe aus, die man in seinem Zimmer natürlich auszieht. Wenn man dann die auf dem Flur gelegene Toilette besucht, muss man die Hausschuhe zunächst wieder anziehen, Teilweise hat man das Gefühl, die japanischen Burgen seien eher konstruiert worden, damit man sie schön fotografieren kann, denn für die Verteidigung.
Teilweise hat man das Gefühl, die japanischen Burgen seien eher konstruiert worden, damit man sie schön fotografieren kann, denn für die Verteidigung.
um sie dann vor Betreten der Örtlichkeit erneut gegen weitere Schuhe auszutauschen, sodass der Wohnbereich immer schön sauber bliebt. Auch vor dem Frühstück muss man erneut die Hausschuhe ablegen.

10. Oktober (Donnerstag)

Erster Anlaufpunkt war Matsumoto, um die dort liegende malerische Burg zu besichtigen. Glücklicherweise war es vor Ort nicht so voll, wie es die Hinweise am Eingang suggerierten: Es gab Gruppentarife ab 300 Personen. Schon ohne diese Mengen gab es kleinere Staus vor den schmalen und steilen Treppen. Die sogenannte Krähenburg wurde im 16. Jahrhundert erbaut und ist eine der wenigen Burgen Japans, die noch ursprünglich erhalten sind. Vor der „schwarzen Burg“[25][25] Die weiße Burg Himeji hatte ich zwölf Jahre zuvor besichtigt. verwöhnten uns sogar noch ein paar Libellen, die sich vor unseren Augen paarten.

Anschließend ging es weiter zum Picchio Wildlife Research Center, wo wir an einer Tour teilnahmen, um „Japanese giant flying squirrel“ in Aktion zu sehen. Diese – im Deutschen treffender „Gleithörnchen“ genannten Tiere – schaffen es, mit ihrer Flughaut bis zu 160 m von Baum zu Baum zu überbrücken. Der Guide versorgte uns zweisprachig auf heitere Art mit etlichen Informationen und schließlich standen wir vor einer Art Nistkasten, in dem das „Musasabi“ hauste. Eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang kam die Ratte der Lüfte mit ihren zwei Jungen heraus, unterhielt kurz die anwesenden Fotografen und glitt dann elegant über uns durch die Nacht.

Überraschenderweise waren nicht Michael oder ich, sondern Malte der Technikjunkie von uns. Er war mit Kameradrohne[26][26] Ich hatte mich darauf gefreut, sie vielleicht mal zu steuern, habe sie aber nicht in Aktion erlebt. angereist, nutzte eine zweite Kamera für 360°-Panoramen und ließ seine dritte Kamera In Japan gibt es sogar ein Straßenschild, das vor Flughörnchen warnt.
In Japan gibt es sogar ein Straßenschild, das vor Flughörnchen warnt.
stundenlang Zeitraffer-Aufnahmen von der Straße vor uns anfertigen, wenn es sie nicht sowieso gleich in 4k filmte. Er wusste zwar auch nicht, wer das sehen wollte, meinte aber, dass es ja auch nicht schaden würde.[27][27] Die Bilder im Reisebericht sind aber alle von mir. Außerdem stattete er die beiden Autos mit WLAN aus, sodass die Verständigung reibungslos funktionierte und wir bereits im Auto den jeweils nächsten Tag gemeinsam planen konnten.

11. Oktober (Freitag)

Zunächst besuchten wir den Nikkō Futarasan-Schrein, wo es zwei Quellen gibt, die gegen schlechte Augen schützen sollen. Wir haben sie nicht gesehen. Wenige Meter weiter steht mit dem Nikkō Tōshō-gū ein weiterer Shinto-Schrein, der zum selben UNESCO Welterbe gehört und trotz des regnerischen Wetters wahnsinnig mit Schulklassen und anderen Gruppen überlaufen war. Die meisten von uns nahmen sich wieder einen Audioguide, der uns lange mit vielen und interessanten Informationen versorgte. So erfuhren wir auch, dass das berühmte Bild der drei weisen Affen von dort stammt und zu einer achtteiligen Holzschnitzerei gehört, die das Leben eines Menschen nachbildet. Der dargestellte Teil charakterisiert die Jugend und symbolisiert, dass Kinder nichts Schlechtes hören, nichts Schlechtes sagen und nichts Schlechtes sehen sollen.[28][28] Mit Letzterem war vermutlich RTL2 gemeint. Es ist überraschend, wie die drei heute bei uns Verwendung finden.

Um in die heiligste[29][29] Kann man „heilig“ eigentlich steigern? Halle zu kommen, mussten wir anstehen. Schließlich konnten wir – natürlich ohne Schuhe – eintreten, durften uns setzen und dann klang es so, als würde es eine kurze Andacht geben. Nein, es gibt keinen vierten Affen, der Schülern empfiehlt, keine Hausaufgaben zu machen.
Nein, es gibt keinen vierten Affen, der Schülern empfiehlt, keine Hausaufgaben zu machen.
Zum Schluss wurden wir augenscheinlich noch gesegnet und durften wieder gehen. Das hat sicherlich ein paar Karma-Punkte gegeben.[30][30] Bei diesem Konzept hat jede Handlung eine Auswirkung. In der Physik heißt das: Actio = Reactio.

Auf der Fahrt zum Keno-Wasserfall gelangten wir auf eine zweispurige fast leere Einbahnstraße mit vielen Serpentinen. Obwohl ich mich aufgrund des Flehens meiner Mitfahrer etwas zurückhielt, machte es doch viel Spaß, den Wagen die Serpentinen hinauf zu jagen. Die Wasserfälle waren so lala, wären aber bei gutem Wetter den Ausflug wert gewesen. Leider regnete es immer mehr. Immerhin waren wir gerade noch rechtzeitig gekommen, denn eine viertel Stunde später war alles so voller Nebel, dass es gar nichts mehr zu sehen gab.

12. Oktober (Samstag)

Die drei heiligen Berge von Dewa sind angeblich die meistbesuchte Pilgerstätte Nordjapans. Der Haguro-San, der für die Geburt steht, lässt sich über 2446 Stufen erklimmen. Wenn man dabei alle 33 eingravierten Bilder findet, soll man reich werden. Da wir stattdessen mit dem Auto die Straße nahmen, Die Statuen mit den roten Lätzchen im Hintergrund und die Windräder sind ein Zeichen für den Verlust von Kindern oder Föten – auch durch Abtreibung.
Die Statuen mit den roten Lätzchen im Hintergrund und die Windräder sind ein Zeichen für den Verlust von Kindern oder Föten – auch durch Abtreibung.
ist es kein Wunder, dass der Sechser im Lotto bisher ausgeblieben ist.[31][31] Oder vielleicht ist er auch nur deswegen ausgeblieben, weil ich gar kein Lotto spiele. Klaus Klages sagte mal treffend: „Lotto ist eine Steuer für Leute, die stark im Hoffen und schwach im Rechnen sind.“

Zunächst regnete es nur gering, was Jonathan noch durch den Kauf eines Schirms beheben konnte. Danach war es zumindest ein paar Minuten lang trocken, bis es wieder losging. Leider wollte Jonathan aber keine weiteren Schirme mehr erwerben.

Anschließend besuchten wir den Yudono-San, der sich der Wiedergeburt widmete. Diesmal arbeiteten Dirk, Jonathan und ich an unserem Karma und marschierten die halbe Stunde zu Fuß nach oben, während die anderen den Bus nahmen. Wir hatten die schöneren Ausblicke, waren aber froh, dass wir Schirme dabei hatten, denn der Regen prasselte mittlerweile durchgehend auf uns herunter.

Was dann oben im Tempel geschah, darüber soll man eigentlich nicht reden, aber ich möchte doch ein wenig spoilern.[32][32] Tja, da gehen dann wohl meine eben gesammelten Karma-Punkte wieder den Berg hinunter. Wer sich dieses Erlebnis nicht vermiesen möchte, der sollte im nächsten Absatz weiterlesen. Um in den Tempel selbst zu kommen, musste man – natürlich – die Schuhe ausziehen Zusätzlich zum Haupttempel fanden sich auf Haguro-San auch kleine Nebenschreine, die teilweise Gottheiten mit überraschenden Spezialgebieten gewidmet waren. Mit dabei waren zum Beispiel „Shigiyamashime“, die dort beschützt, wo sich Berge überlappen, und „Amenoyaohiitamo“, bei der man nicht mehr weiß, weswegen man sie anbetet.
Zusätzlich zum Haupttempel fanden sich auf Haguro-San auch kleine Nebenschreine, die teilweise Gottheiten mit überraschenden Spezialgebieten gewidmet waren. Mit dabei waren zum Beispiel „Shigiyamashime“, die dort beschützt, wo sich Berge überlappen, und „Amenoyaohiitamo“, bei der man nicht mehr weiß, weswegen man sie anbetet.
und sich mit einer Papierfigur reinigen, die man anschließend in ein Bächlein setzte. Dann wanderte man barfuß über die kalten und regennassen Steine ins Heiligtum, von wo ein steiler Pfad über Felsen ein paar Schritte nach oben führte. Das herunterstürzende Regenwasser schien mit jedem Schritt wärmer zu werden. Dies war allerdings keine Illusion, sondern es floss eine warme Quelle dort hinein, sodass es schließlich fast zu heiß für die Füße wurde. Das war eine sehr schöne Überraschung. Der Tempel selbst war klein und kuschelig und man war dort nicht wirklich auf uns Gaijins, die kein Japanisch sprachen, eingestellt, aber es war ein netter Ausflug.

Für die kommenden zwei Tage wollten ursprünglich Malte und Michael gemeinsam in einem Doppelzimmer übernachten, aber Malte wollte dann doch lieber alleine schlafen. In manchen Hotels konnte man sich Yukata (eine Art japanischer Bademantel), Schuhe und Kissen (Härtegrad nach eigenem Geschmack) selbstständig nehmen.
In manchen Hotels konnte man sich Yukata (eine Art japanischer Bademantel), Schuhe und Kissen (Härtegrad nach eigenem Geschmack) selbstständig nehmen.
Die nun freie Hälfte des Doppelzimmers übernahm dafür Jonathan, der so spät zum Urlaub zugesagt hatte, dass er vor Ort nur ein Zimmer in einem anderen Hotel bekommen hatte. Er fuhr dort vorbei um abzusagen und musste nur eine der beiden Übernachtungen bezahlen. Dabei verrechnete sich die Dame am Empfang um gut einen Euro. Nachdem sie das bemerkt hatte, quälte sie ihr schlechtes Gewissen so stark, dass sie extra dafür nach Dienstschluss zu unserem Hotel fuhr, Jonathan aufsuchte und ihm den Betrag persönlich überbrachte.[33][33] Ja, die Japaner können wirklich sehr höflich sein. Ich hätte das vermutlich nicht gemacht.

Abends vergnügten wir uns alle in der Wellness-Oase des Hotels, denn es wartete mit vier verschiedenen warmen und heißen Bädern (drinnen und draußen), einem kalten Becken und einer kleinen Sauna auf. Letztere hatte dabei so eine schmale Liegefläche, dass ich fast von ihr heruntergerollt wäre. Japaner sind halt im mittel eher zierlich.

13. Oktober (Sonntag)

Am Vortag hatte Hagibis, einer der größten Taifune der letzten Dekaden, Tokio getroffen, bevor er dann wieder zurück aufs Meer abgedriftet war. Wir hatten uns glücklicherweise rechtzeitig – Wir waren weitgehend alleine unterwegs. Auch die Bären, vor denen wir gewarnt wurden, zeigten sich leider nicht.
Wir waren weitgehend alleine unterwegs. Auch die Bären, vor denen wir gewarnt wurden, zeigten sich leider nicht.
so wie wir auch ursprünglich geplant hatten – außerhalb seiner Reichweite begeben, sodass wir nur kräftige Winde, heruntergefallene Äste und viel Regen erlebt hatten. Da das Wetter im Laufe des Tages immer besser werden sollte, brachen wir gemütlich für einen Wandertag rund um den Akita-Komagatake auf, einem aktiven Vulkan, der vor knapp 50 Jahren das letzte Mal ausgebrochen war, derzeit aber nur friedlich vor sich hin rauchte. Malte und Jeremi genossen derweil den Onsen im Hotel. Mit dem Bus ging es auf 1300 m Höhe, wo Jonathan eine sportliche Fraktion eröffnete und sich von uns absetzte. Ich blieb bei der Fotografen- und Seniorengruppe, was ich zwischendurch ein wenig bedauerte, im Endeffekt vermutlich aber doch schöner war. Netterweise separierten Tobias und ich uns zwischendurch und nahmen noch einen zusätzlichen Gipfel in Angriff, sodass wir uns ein wenig austoben konnten.

14. Oktober (Montag)

Das Auseinanderrechnen der Hotelrechnung erwies sich als sehr schwierig und vor allem zeitaufwändig. Da lobe ich es mir doch, wenn ich nur mit Dirk und Sigrid unterwegs bin: Einer bezahlt und jeder übernimmt hinterher ein Drittel, egal wer im Einzelzimmer geschlafen, die zusätzliche Flasche Bier geleert oder die Geisha mit aufs Zimmer genommen hat.[34][34] Letzteres ist bisher allerdings noch nie geschehen. Beim Ganiba Onsen haben wir sehr charmant mitten im Wald gebadet. Da wir meist alleine waren und dabei interessante Gespräche führten, blieben wir dort am längsten.
Beim Ganiba Onsen haben wir sehr charmant mitten im Wald gebadet. Da wir meist alleine waren und dabei interessante Gespräche führten, blieben wir dort am längsten.
Da muss man hinterher nicht erst eine dreiviertel Stunde tüfteln, bis man endlich losfahren kann.

Heute wurde Wellness groß geschrieben.[35][35] Es ist ja schließlich auch ein Substantiv. Wir zogen in den Magoroku-Onsen[36][36] Meist bezeichnet „Onsen“ eine heiße Quelle oder ein Thermalbad, es kann aber – wie hier – auch für ein Hotel mit angeschlossener Quelle stehen. ein und erwarben ein Rund-um-sorglos-Ticket, das die acht wichtigsten Bäder der Umgebung mit einschloss. Den Anfang machten wir beim Tsuru no yu, einem der ältesten Onsen Japans, der durchaus malerisch in die Natur eingebettet ist. Nachdem wir ihn angemessen gewürdigt hatten, trockneten wir uns ab, zogen uns an, fuhren mit dem Auto zum Tae no yu, meldeten uns an, zogen uns aus und stiegen in das heiße Wasser.[37][37] Ich glaube, dass deutlich wurde, dass so ein Wechsel der Lokalität mit einigem (zeitlichen) Aufwand verbunden war. Die zweite Lokalität bot mehrere Innen- und Außenbecken an, die Teilweise auf einen Wasserfall blickten. Hier badeten wir das erste Mal mit Japanerinnen zusammen. Dies ist eher ungewöhnlich für Japan. Meist gibt es für Frauen und Männer getrennte Bereiche.

Nach dem dritten Onsen, der nur 500 m entfernt lag, besuchten wir als letztes noch die Anlagen in unserem eigenen Hotel, von denen man angeblich einen wunderbaren Sonnenuntergang genießen können sollte. Aufgrund der durchgängigen Wolkendecke war uns klar, Zum Essen gab es ein ungefähr zehn-gängiges Menü in vielen kleinen Schälchen..
Zum Essen gab es ein ungefähr zehn-gängiges Menü in vielen kleinen Schälchen..
dass es den sowieso nicht geben würde, aber wir fanden auch keine Ecke, von der aus das theoretisch möglich gewesen wäre.

So richtig überzeugt hat mich dieser Tag nicht. Einerseits bot er einen guten Einblick in die japanische Lebensart und es war nett, in der Natur im heißen Wasser zu baden. Andererseits boten die Onsen keine Möglichkeit, um richtig abzuschalten. Liegeflächen, ein kaltes Bad oder gar eine Sauna, wie wir sie die zwei Abende vorher genossen hatten, hatten sie nur teilweise. So stellten sich Ruhe und Entspannung lediglich bedingt ein. Gutes Wellness geht in meinen Augen anders.

Erholung hatte ich aber auch gar nicht nötig, da wir in Japan relativ wenig Programm hatten verglichen mit den Reisen, die ich sonst schon unternommen habe. Dies war einer der ruhigsten Urlaube, den ich seit Jahren hatte. Michael meinte dagegen, es sei sein hektischster gewesen. Diese Spinne war für die Fotografen viel interessanter als die Geibikei-Schlucht.
Diese Spinne war für die Fotografen viel interessanter als die Geibikei-Schlucht.
Dies zeigt, wie unterschiedlich unsere Vorstellungen von den gemeinsamen Tagen waren.

15. Oktober (Dienstag)

Eigentlich mussten wir heute vor allem ein wenig Strecke machen, um anderthalb Tage später in Tokio die Autos abgeben zu können. Am Vormittag steuerten wir die Geibikei-Schlucht an, die zu den 100 schönsten Landschaften Japans gehören soll. Leider hatte es wenige Tage zuvor einen Erdrutsch gegeben, sodass die Bootsführer nur eine kurze Strecke den Fluss hinauf staken konnten.

Nicht weit entfernt befand sich der Daibainengezan Enzu Shoboji[38][38] Wichtig ist, sich all diese Namen gut einzuprägen. Am Ende wird ein Test darüber geschrieben., ein buddhistischer Tempel mit besonders schönem und großem Dach. Viel wichtiger war allerdings mal wieder die Natur davor, Diese Spinne hat eine Libelle zum Essen eingeladen.
Diese Spinne hat eine Libelle zum Essen eingeladen.
weil dort eine große Spinne genüsslich eine Libelle verspeiste bzw. als Snack für den kommenden Tag verpackte. Sobald die Sonne herauskam, wurde aber auch der Tempel angemessen gewürdigt. Innen drin fehlte leider jegliche englischsprachige Beschriftung, sodass unser Besuch oberflächlich blieb.

Abends war es – wie immer – schwierig, eine geeignete Futterkrippe zu finden. Der eine aß kein Fleisch, der andere mochte keinen Fisch. Der dritte hatte schon zu Mittag Gyūdon[39][39] Reis mit Rindfleisch und Zwiebeln darauf. und wollte es nicht schon wieder essen, der vierte hatte keine Lust auf Udon[40][40] Japanische Nudeln., dem fünften war tibetanisches Curry zu scharf … So diskutierten wir eine viertel Stunde im Foyer des Hotels, bis wir uns – noch ohne eine konkrete Entscheidung getroffen zu haben – überhaupt in Bewegung setzten, da alle Restaurants sowieso in der gleichen Richtung lagen. Dirk und mir war es an solchen Stellen meist egal, welche Entscheidung getroffen wurde, uns nervte allerdings der lange Weg dorthin.

Gerade in der Langschläferfraktion machte sich zunehmend Unmut bereit, da Dirk und ich erneut früh, also vor 9.00 Uhr, aufbrechen wollten.[41][41] Was genau „früh“ ist, ist ja immer sehr relativ. Bei der Planung des Urlaubs hatten wir uns gemeinsam Mein Problem bei Blumenfotos ist, dass ich meist nicht weiß, was ich da eigentlich abgelichtet habe.
Mein Problem bei Blumenfotos ist, dass ich meist nicht weiß, was ich da eigentlich abgelichtet habe.
bewusst dafür entschieden, die Autos nicht im Norden zu lassen, um uns dann gemütlich mit der Bahn nach Tokio bringen zu lassen, sondern die Autos persönlich in der Metropole abzugeben, um so auf der Fahrt noch etwas besichtigen zu können, was jetzt aber doch zu viel sein sollte. Dirk und mir wurde vorgeworfen, dass einige aus der Gruppe seit Osaka nicht mehr hätten richtig ausschlafen können. Besonders stark betroffen schienen die, die nie oder sehr selten hinter dem Steuer gesessen hatten und die daher auch oft während der Fahrt noch weiter schlummerten. Der Hinweis, dass wir die anderen in Tokio gerne so lange schlafen lassen würden, wie sie wollten, während wir unser eigenes Programm machen würden, fruchtete nicht so richtig, da sie ja auch viel sehen wollten. Es wirkte so, als müssten Dirk und ich uns dafür rechtfertigen, dass wir so viel wie möglich erleben wollten, gleichzeitig aber schuld daran seien, wenn die anderen irgendetwas verpassten.[42][42] Dies betraf nur einen Teil der Gruppe. Andere schienen das ähnlich zu sehen wie Dirk und ich.

16. Oktober (Mittwoch)

Zunächst statteten wir dem Ryūshaku-ji, dem „Yama-dera“[43][43] Zu deutsch: „Bergtempel“., der seinen Namen völlig zu Recht trägt, einen Besuch ab. Die schon im 9. Jahrhundert gegründete Anlage schmiegt sich an die Flanke eines Berges Nach dem Eingang der Seilbahn sucht man vergebens, aber es gibt auf dem Weg genug zu sehen, um immer wieder einen Grund zu haben, stehenzubleiben und Luft zu holen.
Nach dem Eingang der Seilbahn sucht man vergebens, aber es gibt auf dem Weg genug zu sehen, um immer wieder einen Grund zu haben, stehenzubleiben und Luft zu holen.
und um zum höchsten Heiligtum zu gelangen, muss man über 1000 Stufen erklimmen. Das Gelände ist schön anzusehen und auf jeden Fall einen Besuch wert, aber um die Tempelgebäude selbst richtig zu würdigen, war unser Wissen mal wieder zu beschränkt.

Nachdem wir uns von Tobias verabschiedet hatten, der noch ein wenig auf eigene Faust den Norden Japans bereisen wollte, steuerte Dirk mit Jeremi, Michael und Dennis ein Samurai-Haus, das den bisherigen Urlaub gut ergänzte, und eine weitere Burg an. Gemeinsamer Treffpunkt sollte am Abend unser Hotel in Tokio sein, denn ich entführte in der Zwischenzeit Jonathan und Malte an die Westküste, wo wir uns in der Gegend des Kernkraftwerks Fukushima Daichi, das nach einem Erdbeben und einem Tsunami im März 2011 riesige Mengen radioaktives Material freigesetzt hatte, umsehen wollten.

Sollte man in solche Gebiete reisen oder ist das nur Katastrophen-Tourismus? Ist das Verwerflich? Vielleicht, aber irgendwie hatte es mich als Physiklehrer gereizt, mir die Auswirkungen unserer Stromerzeugung mal genauer anzuschauen, um diese dann vielleicht auch den Schülern besser begreiflich machen zu können. Auch wenn es vor Ort für uns eigentlich gar nicht so viel zu sehen gab, so hat der Tag doch dazu geführt, dass ich mich massiv mit dem Thema beschäftigt und viel Interessantes gelernt habe. Aus dieser Sicht hat es sich auf jeden Fall für mich gelohnt und auch meine Schüler haben schon und werden noch von dem neu gewonnenen Wissen profitieren.

Schon bei der Rast weit vor der wieder geöffneten äußeren Zone, in der die Strahlung allenfalls leicht erhöht war, hatte keiner von uns mehr Appetit auf das angebotene Essen, insbesondere nicht auf das frische regionale Gemüse, das dort auslag. Ein paar Kilometer weiter in Namie, das 10 km vom Kernkraftwerk entfernt liegt und mittlerweile laut offizieller Aussage wieder bewohnt werden kann, maßen wir außerhalb des Autos bis zum 25-fachen der normalen Strahlung. Ist das gefährlich? Eindeutig: Jein! Grundsätzlich erhöht jegliche radioaktive Strahlung die Wahrscheinlichkeit für Mutationen im Erbgut und dadurch für verschiedene Krankheiten, z. B. Krebs. Diese Wahrscheinlichkeit ist abhängig von der erhaltenen Strahlungsexposition.[44][44] Kurz ausgedrückt: Je mehr Strahlung, desto ungesünder. Die mittlere Dosisleistung, die man in Deutschland erhält, liegt grob gesagt um die 0,1 µSv/h. Während unserer Fahrt durch die Gegend von Fukushima haben wir im Extremfall bis zu 3 µSv/h, im Durchschnitt höchstens 1 µSv/h abbekommen. Da wir ca. vier Stunden vor Ort waren, haben wir in dieser Zeit so viel Strahlung abbekommen wie sonst in zwei Tagen.[45][45] Zum Vergleich: Alleine der Flug von Amsterdam nach Tokio und zurück schlug aufgrund der natürlichen Höhenstrahlung mit mehr als der zehnfachen Menge zu Buche. Aus diesem Grund schien mir der kurzzeitige Besuch gesundheitlich unbedenklich, das dauerhafte Leben dort aber nicht erstrebenswert.

Nach dem Unfall wurde eine Sperrzone errichtet und ca. 160.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Rund 1000 km² werden laut offiziellen Schätzungen lange nicht mehr bewohnbar sein, Alle Straßen und Einfahrten, die nach rechts oder links von der Bundesstraße 6 abbiegen, sind dauerhaft verrammelt. Man kann 20 km lang nur geradeaus fahren.
Alle Straßen und Einfahrten, die nach rechts oder links von der Bundesstraße 6 abbiegen, sind dauerhaft verrammelt. Man kann 20 km lang nur geradeaus fahren.
andere Gebiete sind wieder für die Besiedelung freigegeben, wobei nur wenige Leute dorthin zurückkehren wollen. Ich kann das verstehen.

Die Städte, die wieder geöffnet waren, wirkten gespenstisch. Ganze Straßenzüge waren versperrt, viele Häuser waren nach wie vor verlassen und es fand extrem wenig öffentliches Leben auf der Straße statt. An sehr vielen Stellen standen Polizisten herum, die diese Gebiete bewachten. Gegen radioaktive Strahlung geschützt waren sie nicht. Über die Bundesstraße 6 fuhren wir relativ dicht am zerstörten Kraftwerk vorbei durch das Niemandsland. Dort wird noch sehr lange niemand mehr wohnen können. An etlichen Stellen standen bergeweise riesige schwarze Plastiktüten auf großen Halden. In ihnen befindet sich schwach radioaktives Material und abgetragene Erde. Insgesamt sollen es 14 Millionen Kubikmeter sein.[46][46] Das entspricht einem Würfel mit der Kantenlänge von über 240 m. Niemand weiß derzeit, wohin mit dem radioaktiven Abraum.[47][47] Dazu kommen mehr als eine Million Tonnen mit Tritium verseuchtes Kühlwasser. Derzeit wird überlegt, ob man diese ins Meer ablässt.

Die Kosten von geschätzten über 150–200 Mrd. Euro trägt weitgehend der Staat, also der Steuerzahler. Das könnte sich kein Betreiber leisten, auch in Deutschland nicht. Atomstrom ist, Immer wieder luden die schönen Blumen in den öffentlichen Parks zum fotografieren ein.
Immer wieder luden die schönen Blumen in den öffentlichen Parks zum fotografieren ein.
wenn man dieses Risiko mit einrechnet (und natürlich die Endlagerung, die ein ganz anderes Thema ist) richtig teuer.[48][48] Kohle, Gas usw. übrigens auch, wenn man die Umweltverschmutzung, die dadurch entsteht, und deren Folgen in die Kalkulation mit einbezieht.

17. Oktober (Donnerstag)

Aufgrund der für manche Reiseteilnehmer zu voll gepackten vorherigen Tage war ich ein wenig überrascht, dass am Abend zuvor alle dabei sein wollten, als Dirk und ich unser Programm für heute besprachen. Die anderen berieten uns beim Festlegen unseres Tagesplans und Jonathan kam sogar mit.

Erster Anlaufpunkt nach der Rückgabe des zweiten Autos[49][49] Das erste hatten wir bereits am Vorabend abgeliefert. war der Koishikawa Kōrakuen, ein traditioneller Garten der Edo-Periode, der mit schönen Blumen und Fotografen[50][50] Das „schön“ bezieht sich dabei auf die farbenprächtigen Blüten und nicht auf die Fotografierenden., die – leider vergebens – auf Eisvögel hofften, aufwartete. Ein Brautpaar in traditionelle Kleidung ließ Fotos von sich machen.
Ein Brautpaar in traditionelle Kleidung ließ Fotos von sich machen.
Auf dem Weg dorthin genossen wir die Umgebung und besichtigten nebenbei noch ein paar andere nette Dinge wie den Kanda Myōjin, einen Shinto-Schrein, und die Tokyo Dome City, eine Mischung aus Einkaufspassage und Unterhaltungszentrum.

Anschließend besuchten wir den Meiji-Schrein, der dem Meiji-tenno, der in seiner Regentschaft Japan zu einer modernen imperialen Großmacht umbaute, und seiner Frau gewidmet ist. Obwohl die ganze Anlage groß und wichtig ist, haben uns doch andere in den vergangenen zwei Wochen besser gefallen. Nachmittags trafen wir uns mit den anderen auf der kostenlosen Aussichtsplattform des Tokyo Metropolitan Government Building, die aber ihre gute Lage aufgrund des Nebels nicht ausspielen konnte.

18. Oktober (Freitag)

Beim gemeinsamen Frühstück brachte Jeremi es auf den Punkt: „Wenn ihr weg seid, dann wird es entspannter, denn dann gibt es nur noch vier Aktivitäten: Shoppen und Essen und Shoppen und Essen.“

Jonathan, Dennis, Dirk und ich pilgerten eifrig ins Edo-Tokyo-Museum, das nicht nur anhand vieler großer Modelle einen guten Einblick in die Entwicklung Tokios von der Edo-Zeit[51][51] Edo-Zeit: 1603–1868. über die Meiji-Zeit[52][52] Meiji-Zeit: 1868–1912. bis zur Shōwa-Zeit[53][53] Shōwa-Zeit: 1926–1989. gibt. Das große Museum beschäftigte uns den ganzen Tag (sieben Stunden lang).[54][54] Ich werde langsam alt. Früher wären sieben Stunden für uns kein tagesfüllendes Programm gewesen.

19. Oktober (Samstag)

Am letzten Tag waren Dirk und ich alleine unterwegs und besuchten ein Wissenschaftsmuseum, dessen Hands-On-Exponate für uns zu kindlich waren, aber der Teil des Museums zum Thema Der Sensoji im Viertel Asakusa wurde bereits im 7. Jahrhundert errichtet und gilt damit als der älteste Tempel Tokios, auch wenn die Gebäude alle aus dem letzten Jahrhundert sind.
Der Sensoji im Viertel Asakusa wurde bereits im 7. Jahrhundert errichtet und gilt damit als der älteste Tempel Tokios, auch wenn die Gebäude alle aus dem letzten Jahrhundert sind.
Astrophysik und die japanische Katastrophenprävention waren sehr interessant.

Anschließend machten wir einen Rundgang durch den örtlichen Bic Camera-Laden, der uns von den anderen ans Herz gelegt worden war. Es handelt sich dabei um eine der größten Einzelhandelsketten für elektronische Gegenstände und vermutlich gibt es auch sehr wenig, was es dort nicht gibt. Wir fanden die Preise, die wir beurteilen konnten, eher hoch, sodass wir außer Süßigkeiten in seltsamen Geschmacksrichtungen[55][55] Z. B. KitKat Grüner Tee oder Cola mit Apfelgeschmack. nichts erwarben. Trotzdem: Solche Geschäfte gehören auch zum typischen Japan, wir mussten sie also gesehen haben. Das gleiche gilt sicherlich auch für den Stadtteil Akhibara, in dem Cosplay und Maid Cafés eine große Rolle spielen. Verkleidete Leute schaue ich mir gerne an, ich weiß aber nicht, ob ich in einem Café, in dem die Kellnerinnen mich unterwürfig in Dienstmagduniform verwöhnen, Mit der richtigen Technik können Nachtfotos von japanischen Parks auch so aussehen.
Mit der richtigen Technik können Nachtfotos von japanischen Parks auch so aussehen.
glücklich geworden wäre. Daher ließen wir diese durchaus typisch japanische Sehenswürdigkeit aus.

20. Oktober (Sonntag)

Dirk und ich mussten wieder zurück nach Deutschland, während die anderen noch vor Ort bleiben durften.[56][56] Das ist das Problem am Lehrersein: Man muss dauernd arbeiten und hat nur wenig Urlaub!

Ein ereignisloser Rückflug hätte uns gefallen, aber das ist uns ja selten vergönnt. Stattdessen landeten wir stark verspätet in Amsterdam, sodass wir unseren Weiterflug nach Hannover verpassten und fliegend erst einen Tag später unsere Heimat erreicht hätten. Wir wählten daher die Alternative „Bahnfahrt“, was dazu führte, dass wir stundenlang ohne unser Gepäck, das noch irgendwo auf einem Förderband durch die Gegend fuhr, auf dem zugigen Hauptbahnhof der niederländischen Stadt frieren mussten, weil der anvisierte Zug aufgrund einer Bombendrohung nicht einlief. Irgendwann haben wir es dann doch wieder nach Hause geschafft und auch unser Gepäck hat uns schließlich erreicht. Vielleicht musste es sich auch erst von uns erholen.