Zu Besuch bei 1,2 Mrd. Menschen
Einmal quer durch Rajasthan/Indien
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Prolog
Warum Indien? Warum nicht? Dort gibt es über 1,2 Mrd. Menschen, und da darf
Ganesha steht für Neuanfang und verkörpert Weisheit und Intelligenz - genau das richtige für unsere Reise.
Da der Sommer als Reisezeit aufgrund des Monsunregens für uns ausfiel, blieben leider nur die zwei Wochen Herbstferien übrig, wodurch wir von Anfang an wussten, dass es ein oberflächliches Unternehmen bleiben würde. Um nicht zu viel Zeit mit Flugreisen zu vergeuden, beschränkten wir uns weitgehend auf Rajasthan, dem flächenmäßig größten Bundesstaat Indiens, da sich dort auch die größten Sehenswürdigkeiten befinden. Der auch sehenswerte Süden Indiens und die Berge Nepals wurden aus Zeitgründen im Vorfeld aus den Reiseüberlegungen ausgeklammert.
Samstag, 15.10.
Sigrid, Dirk und ich kamen in Delhi an und stürzten uns in die Sehenswürdigkeiten. Was so, einfach? Keine Probleme, den Fahrer zu finden? Keine Komplikationen während des Fluges? Keine Katastrophenmeldungen über verlorenes Gepäck?
Sikh-Tempel Bangla Sahib Gurudwara in Old Delhi.
Unser Fahrer wurde Singh genannt und fuhr uns als Erstes nach Old Delhi zum Bangla Sahib Gurudwara, Delhis größtem Sikh-Tempel. Der hatte nämlich den ausgesprochenen Vorteil, dass er auch schon 7.30 Uhr geöffnet war, während der Rest der Stadt noch weitestgehend zu schlafen schien. Der Sikhismus wurde im 15. Jahrhundert vom Wanderprediger Guru Nanak gegründet und hat ca. 23 Mio. Anhänger, von denen über 90 % in Indien leben. Die Anhänger sollen unter anderem immer einen Holzkamm (Kangha) und einen Dolch (Kirpan) bei sich haben. Außerdem tragen die meisten den gleichen Nachnamen: Singh.[1][1] Unser Fahrer besaß aber wohl nur zufällig diesen Nachnamen, der aus einer alten Kriegerkaste stammte. Das bedeutet Löwe.
Laut dem von mir angeschafften Reiseführer von Stefan Loose (Ich muss dabei immer an "Pappa Ante
Qutb-Komplex mit Siegessäule.
Nach dem Besuch des Tempels ging es erst mal ins Büro unseres Reiseveranstalters, wo wir das Geschäftliche regelten. Wir hatten die Firma Car Rental
Lotustempel in Neu-Delhi.
Danach ging es zum Regierungsviertel, wo Singh nicht halten durfte, aber wir Touristen konnten schnell raus springen und ein paar Fotos machen,
Humayun's Tomb in der Abenddämmerung.
Prächtiges Deckengewölbe am Grab von Akbar.
Sonntag, 16.10.
Die Nacht war gut, und wir kamen nach dem langen gestrigen Tag etwas spät aus dem Bett. Zum Frühstück hatten wir die Wahl zwischen drei indischen Gerichten, die wir alle nicht kannten, was bedeutete, dass jeder von uns eines bestellte und wir dann gegenseitig probierten. So richtig begeistert war keiner von uns dreien. Als wir dann leicht nach der vereinbarten Zeit zur Abfahrt bereit waren, machte unser Fahrer das, was er häufig machte: Er wartete geduldig. Ich glaube nicht, dass wir einmal auf ihn warten mussten.
Die Fahrt nach Agra zog sich erschreckend lange hin, da ein schnelles Vorankommen auf der Autobahn ziemlich effektiv durch Fahrräder, Dreiräder, Ochsengespanne und freilaufende Kühe unterbunden wurde.
Das "Baby Taj" (Grabmal von Itimad Ud Daulah) ist auch schon sehr sehenswert.
Kurz vor dem Ziel nahmen wir das Grab von Akbar in Sikandara mit, dem dritten und bedeutendsten Herrscher der Mogul-Dynastie. Gräber schienen in diesem Teil Indiens die Hauptattraktionen zu sein. In Agra ging es zum sogenannten Baby Taj, was deutlich Lust macht auf das richtige, das wir einen Tag später angehen wollten. Die Sicht dorthin war durch Smog stark getrübt, was vermutlich häufig so ist. Insgesamt war die Staubbelastung während der ganzen Reise recht hoch, aber dabei handelt es sich angeblich nur um Grobstaub, der nicht so schlimm sein soll wie die hier vorkommende Feinstaubbelastung.
Oft wird man vor den touristischen Attraktionen von Einheimischen angesprochen, die gegen ein wenig Bezahlung ihre Dienste anbieten und einen in die jeweilige Sehenswürdigkeit einführen.
Rotes Fort von Agra bei Nacht.
Spiegelpalast im Kerzenschimmer.
Montag, 17.10.
Kurz nach dem Tode seiner Hauptfrau im Jahre 1631 ließ der Großmogul Shah Jahan innerhalb von 17 bis 22 Jahren (je nach Quelle) das Taj Mahal (Kurzform von "Mumtaz Mahal" = "Erwählte des Palastes")
Natürlich sind wir schon am frühen morgen nicht alleine unterwegs.
Am schönsten ist es, das Taj Mahal direkt bei Sonnenaufgang zu besichtigen.
Trotzdem kann man das Taj Mahal auch ohne Touristen ablichten, wenn man geschickt ist.
Kurz vor dem Eingang nahmen wir uns wieder einen Guide[6][6] Eigentlich muss es heißen: "Ein Guide nahm uns.", denn er hat sich - wie bei allen Attraktionen - uns aufgedrängt., der uns mit vielen Informationen über dieses Monument versorgte.
Das Taj Mahal ist ein wenig überrepräsentiert in den Bildern.
Später machten wir Zwischenstation im Wallfahrtsort Fatehpur Sikri. Wir waren in der Moschee, die vom Großmogul Akbar gegründet wurde, weil er sich einen Thronfolger erbeten hatten und seine Frau anschließend tatsächlich einen Sohn gebar. Heute kommen viele Inder hier her mit dem gleichen Wunsch auf den Lippen. Mädchen sind immer noch weniger Wert als Jungen. Mir ist der Ort vor allem aufgrund seiner aufdringlichen Geschäftemacher in Erinnerung geblieben, und wir fühlten uns bei der Abreise deutlich von ihnen geneppt.
Weiter ging es nach Ranthambore über eine der schlechtesten Straßen, die ich jemals gefahren bin, und das, obwohl wir ja auch schon in Südafrika und auf Island unterwegs waren. Für den letzten 32 km langen Abschnitt haben wir über anderthalb Stunden gebraucht.
Im Hotel begrüßte uns ein netter Portier, der so schien, als kenne er sich hier genauso gut aus wie wir. Als er uns die Bedienung der Klimaanlage zeigen wollte, musste Sigrid ihn erst darauf hinweisen, dass es eine Fernbedienung gibt.
Fußabdruck eines Tigers. Mehr sahen wir leider nicht von den Katzen.
Clever war der Abfluss der das ganze Bad umfassenden Dusche angebracht, der sich nicht am tiefsten Punkt des Raumes befand. Gibt es eigentlich irgendwo in diesem Land auch heißes Wasser und nicht nur lauwarmes?
Dienstag, 18.10.
Dies war der große Safari-Tag. Ranthambore National Park ist der Ort in Indien, wo die Wahrscheinlichkeit, Tiger in der freien Wildbahn zu treffen, am größten ist. Das sagen zumindest einige Reiseführer, und wir wollten unser Glück testen.[7][7] Vielleicht hätte ich schon deshalb misstrauisch sein sollen, weil es auch mein Reiseführer behauptete. Man kann entweder mit 20 anderen Mitreisenden in einem Bus (Canter) unterwegs sein oder zu sechst in einem Jeep (Gypsi). Als wir den Gypsi günstig online bei der Parkverwaltung buchen wollten,
Er hat auch keine Tiger gesehen.
Wir hatten sicherheitshalber zwei Safaris für diesen Tag gebucht, um zumindest einmal eine der 44 dort lebenden Großkatzen zu Gesicht zu bekommen. Am Anfang schien mir der Park sehr ähnlich zum Design des Dschungelpalastes im Zoo Hannover: ein kleiner Feldweg, ein paar herüber hängende Zweige und ein paar verfallene Ruinen, die malerisch von Bäumen und Sträuchern überwuchert wurden. Es gab allerdings einen sehr entscheidenden Unterschied: Im Zoo Hannover sieht man Tiger, hier blieb uns dies "erspart".
Ein wenig enttäuscht kehrten wir heim ins Hotel. Auch die Fußspuren der Raubtiere sowie Wildschweine, Hirsche, Rehe, Antilopen, Mungos und unzählige Vögel konnten nicht wirklich für Ausgleich sorgen.
Mittwoch, 19.10.
Da wir bisher an den Tigern gescheitert waren, haben wir es noch einmal versucht und noch eine Safari gebucht. Diesmal haben wir uns keinen eigenen Jeep gemietet, sondern zwei anderen Damen aus Irland angeschlossen, weil es uns den zusätzlichen Preis für die Einsamkeit nicht wert war. Um es kurz zu machen:
Indische Kinder spielen mit einem selbst gebastelten Springbrunnen aus einem Wasserrohr.
Anschließend stand wieder viel Fahrt auf dem Programm, so dass wir erst kurz vor Einbrauch der Dunkelheit in Ajmer ankamen, um den Grabbezirk Dargah Khwaja Sahib zu besuchen. Dieser ist als Pilgerstätte so wichtig, dass sieben Besuche in Ajmer einer Wallfahrt nach Mekka entsprechen. Aufgrund latenter Kopfschmerzen, die mich den ganzen Tag plagten, ist mir die enge Innenstadt allerdings vor allem in Bezug auf ihre ungeheure Lautstärke und den beißenden Gestank von Abgasen in Erinnerung geblieben.
Die Hotelzimmer in Indien waren meist mit erstaunlich wenig Insekten bevölkert. Lediglich in Ranthambore mussten wir aufgrund der großen Übermacht kapitulieren und hoffen, dass es sich einerseits um Fliegen
Kühe leben auf den Straßen im Müll und ernähren sich von diesem.
Donnerstag, 20.10.
In Pushkar gibt es einen kleinen See, der aus einer unterirdischen Quelle gespeist wird, die entstanden sein soll, als der Schöpfergott Brahma eine Lotusblüte zu Boden fallen lies. Dementsprechend ist der See eine
Eine indische Schule posiert für das Gruppenfoto vor dem Kumbha-Shyama-Tempel in Chittorgarh gemacht.
Streng genommen ist der Hinduismus gar keine Religion, sondern war ursprünglich eher eine Sammelbezeichnung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen auf dem indischen Subkontinent, die sich nicht in die großen Religionen einsortieren ließen.[9][9] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hinduismus.
Im Hinduismus gibt es ca. 23. Mio. Götter. Das bedeutet, dass so ziemlich alles zum Gott gemacht wird, was nicht bei drei auf den Bäumen ist - außer Katzen. Die gelten nämlich als große Pechsbringer ganz im Gegensatz zu den Millionen herrenlosen Hunden, die (genau wie die Kühe) auf den Straßen herumrennen, im Müll nach Fressen suchen oder einfach nur im Weg liegen.
Weiter fuhren wir zum Fort von Chittorgarh (oder Chittor), das als die stärkste Bastion gegen die moslemischen Invasoren gilt. Es liegt strategisch und malerisch auf einem einzeln stehenden Berg und besteht aus Befestigungsanlagen, ein paar Tempeln, einem Turm und ein paar Ruinen. Hier liefen wir auch mal wieder ein paar Schulklassen einer Privatschule über den Weg und kamen mit den Lehrern ins Gespräch. So erfuhren wir, dass in dieser Schule nur ca. 20 Schüler in jeder Klasse sind,
Viele Motorradfahrer tragen einen Helm, da es gesetzlich vorgeschrieben ist. Für Mitfahrer gilt dies nicht.
In Deutschland gibt es eine Faustformel für den Sicherheitsabstand auf Straßen: "Abstand gleich halber Tacho", wobei mit "Tacho" die Geschwindigkeit in Kilometern pro Stunde gemeint ist. In Indien wurde es dagegen wörtlich genommen. Diesmal war das Gedrängel auf der Autobahn extrem groß, da die Gegenfahrbahn blockiert war, so dass uns der Gegenverkehr freundlich auf unserer Seite der Autobahn entgegen kam. Gerade bei Abbiegungen stand alles kreuz und quer, und jeder noch so kleine Zwischenraum wurde erfolgreich genutzt, um alle anderen Autos zu blockieren und das eigene Fahrzeug zehn Zentimeter dichter an sein Ziel zu bekommen.
Wir hatten vor Beginn der Reise überlegt, ob wir selber mit einem Mietwagen herumreisen können oder ob wir unbedingt einen Fahrer brauchen, was nicht wirklich teurer war.
Jagdish-Tempel in Udaipur.
Unser Nachtlager schlugen wir in der Innenstadt von Udaipur auf. Unser Spaziergang durch die winzigen, verwinkelten Gassen verlief ruhig, da es schon ein wenig spät war. Lediglich die "Octopussy-Show"[10][10] Das ist keine Live-Darbietung eines Oktopus, sondern die Vorführung des gleichnamigen James-Bond-Films, der teilweise hier gedreht wurde. wäre noch zu haben gewesen.
Indische Frauen waschen ihre Wäsche im Pichola-See.
Freitag, 21.10.
Beim Frühstück auf der Terrasse sahen wir zu, wie die Waschfrauen unten im See die Kleidung wuschen. Der Aufwand, den sie da für saubere Wäsche betrieben, war bemerkenswert und machte uns deutlich, wie sehr eine normale Waschmaschine den Alltag erleichtern kann. Außerdem fanden wir es erstaunlich, dass die Kleidung vieler Inderinnen trotzdem so enorm farbenfroh und sauber war.
Nach dem Jagdish-Tempel stiegen wir zum Stadt-Palast empor, in dem die Familie der Sisodias
Farbenspiel im Frauengemach des Palastes von Udaipur.
Anschließend kühlten wir uns im Saheliyon-ki-Bari (Hof der Dienstmädchen) ab. Dieser wurde im 18. Jahrhundert angelegt, als eine Königin mit 48 Zofen in den Stadtpalast einzog, damit sich die
Manchmal sind die schönen Bilder gar nicht so einfach entdecken.
Anschließend bestiegen wir wieder das Auto und fuhren den Jain-Tempel der 1000 Säulen von Ranakpur an. Der Jainismus gründet sich auf fünf wichtige Gebote, wobei das wichtigste ist, dass man keine Lebewesen verletzt oder tötet. Gläubige Jainisten ernähren sich so, dass dafür weder Pflanzen noch Tiere sterben müssen. Manche tragen ein Tuch vor dem Mund, damit sie nicht versehentlich Insekten einatmen, oder fegen sogar den Weg vor ihren Füßen, damit sie nicht unbemerkt auf kleine Tiere treten.
Den Abend verbrachten wir diesmal auf einer Hotelterrasse in Jodhpur, wo wir sowohl den lauen Abend und die Aussicht auf das Meh(e)rangarh Fort[11][11] Wie bei allen indischen Namen gibt es unterschiedliche Schreibweisen - insbesondere in deutschen Reiseführern. Diesmal lieferte Google, das vermutlich umfangreichste Rechtschreibwörterbuch der Welt, keinen eindeutigen Mehrheitsentscheid. genossen, als auch den unzähligen Geckos bei der Arbeit zusahen. Grundsätzlich schienen die Reptilien eine ruhige Kugel zu schieben, da sie meist unbeweglich verharrten und das Essen zu ihnen kam.
Samstag, 22.10.
Die blaue Stadt, wie Jodhpur auch genannt wird, wurde im 14. Jahrhundert am Ostrand der Wüste Thar gegründet. Hochkastige Brahmanen mischten dem weißen Kalk Indigo bei, um die Häuser kühler zu halten und seine Bewohner gegen Moskitos zu schützen.
Von unserer Hotelterrasse hatten wir einen guten Blick auf das abendlich angestrahlte Fort.
Die Burg ist auf einem einzeln stehenden Steinfelsen gelegen und mit starken Mauern gesichert, so dass sie in ihrer über 500 Jahre dauernden Vergangenheit niemals eingenommen wurde. Dies ließ sich schon bei der Anreise dorthin gut vorstellen. Blutige Versuche gab es dagegen genug. Auch in anderen Bereichen hat die Anlage blutige Geschichte geschrieben.
Indische Frauen sind oft sehr farbenfroh gekleidet.
Auf dem Weg zum Fort und danach machten wir noch Abstecher zu einigen imposanten Grabmalen. Ich hätte es angemessen gefunden, wenn Sigrid und Dirk auch mir so ein Monument nach meinem Tode widmen würden, aber die beiden lehnten aus unerfindlichen Gründen ab.
Abends kauften wir in einem Laden, der uns von Singh empfohlen worden war, Gewürze und Tee. Ich habe keine Ahnung, inwiefern wir dabei übers Ohr gehauen wurden, aber es machte nicht den Eindruck - und das ist ja schließlich das wichtigste. Überhaupt ist uns nicht klar geworden, wie sich unser Fahrer finanziert. Wir hatten ihn über eine Firma angeheuert und hatten dort natürlich auch für das Auto und das Benzin bezahlt. Aber wie viel hatte er davon bekommen? Er wollte es uns leider nicht sagen. Andererseits machte er seine Sache so gut, dass er - wenn man den Angaben im Reiseführer glauben schenken darf - mehr Trinkgeld von uns bekam, als ein Inder durchschnittlich in einem Monat verdient.
Sonntag, 23.10.
Heute fuhren wir nach Jaisalmer in die Thar-Wüste hinein. Trotz aller eigenen Erfahrungen denke ich bei Wüste immer noch oft an malerische Sanddünen oder zur Not auch Steine und Felsen. Stattdessen grüßten uns einige graue
Sigrid reitet auf einem Kamel.
Die Gegend wurde immer eintöniger und nur selten von ein paar Verkaufsständen unterbrochen, so dass man fast das Gefühl hatte, im Kreis zu fahren. "Sind wir hier nicht eben schon mal vorbeigekommen?" Die Straßen waren - trotz der geringen Fahrzeugdichte - erstaunlich gut ausgebaut und vollständig asphaltiert, so dass wir viel Strecke schafften,
Dieser "Schüssel-Tanz" war nicht ganz echt. Die sechs Schüsseln waren miteinander verklebt.
Kurz vor Jaisalmer bogen wir in die Wüste ab und fuhren noch ca. 50 km weiter in ein kleines Nest, in dem unser Fahrer eine Übernachtung in der Wüste für uns organisiert hatte, wobei uns nicht so ganz klar war, was wir uns genau darunter vorzustellen hatten. In dem kleinen Hotel, das aus acht Zwei-Bett-Hütten mit angeschlossenen Badezimmern bestand, waren wir die einzigen Kunden, aber dafür gab es genauso viel Personal wie Gäste. Besonders interessant fand ich den Gang durch das kleine Dorf, bei dem es tatsächlich den Anschein hatte, als würden wir etwas vom normalen Innenleben der Häuser der Dorfbewohner sehen.
Dann machten wir einen Ritt auf Kamelen auf eine der wenigen Sanddünen weit und breit, um den Sonnenuntergang zu genießen. Im Gang war das Reiten durchaus angenehm, aber als die Kamele in den Trab wechselten, wurde so ein Kamelrücken doch schnell ziemlich hart. Neben Einheimischen, die uns - gegen etwas Trinkgeld natürlich - gerne willkommen getrommelt hätten, versammelten sich dann auch ca. 100 Touristen auf der Düne. So eine Wüste ist halt klein.
Als die Sonne weg war, ging es wieder zum Hotel bzw. zum Nachbaranwesen, wo wir an einer Tanzveranstaltung mit einer indischen Reisegruppe zusammen teilnahmen. Einen "Kellner" aus unserem Hotel hatten wir dabei mitgenommen, so dass wir immer etwas bevorzugt bewirtet wurden,
Dirk inspiziert das Nachtlager mitten im Nirgendwo auf einer Düne.
Sherlock Holmes und Dr. Watson campen zusammen. Nachts erwachen beide aus ihrem Schlaf und schauen in den Sternenhimmel. Holmes fragt seinen Freund Watson: "Was stellen Sie fest?"
Watson erwidert nach kurzem Zögern: "Es wird etwa drei Uhr sein, der große Wagen steht schon tief am Himmel. Es könnte schlechtes Wetter geben, denn im Westen ziehen Wolken auf. Die riesige Menge an Sternen macht mir deutlich, wie winzig wir kosmologisch betrachtet sind und wie wahrscheinlich es ist, dass es dort draußen intelligentes Leben gibt. Was stellen Sie fest?"
Holmes antwortet ungewöhnlich zornig: "Sie Idiot, Watson, irgendjemand hat unser Zelt geklaut" [12][12] Laut einer Studie von Richard Wiseman soll dies der zweitbeste Witz der Welt sein (vgl. http://www.richardwiseman.com/LaughLab/introduction.html).
Dann ging es mit dem Nötigsten bewaffnet auf einem Kamelwagen zurück in die Dünen, wo drei Feldbetten für uns aufgebaut wurden. Ein Zelt gab es nicht. So verbrachten wir die Nacht weit weg von jeglicher menschlicher Behausung in völliger Dunkelheit und Ruhe unter dem wunderbaren Sternenhimmel. Lediglich eine Frage quälte uns: Warum hat irgendein Depp genau das einzige Kamel mit Kuhglocke um den Hals mitgenommen?
Montag, 24.10.
Es war sehr schön, unterm freien Sternenhimmel zu nächtigen, wobei es trotz der dicken Decken am morgen doch frisch wurde und windig. Außerdem war es erstaunlich, wie viele Fußspuren
Fort von Jaisalmer.
Jaisalmer müsste eigentlich die sauberste Stadt der Welt sein. Überall wurde innen und außen, Haus und Kleidung geputzt, gewischt und gewienert, weil das wichtigste Fest Indiens vor der Tür stand: Diwali. Leider schien es so, als seien die Inder nur an der Sauberkeit ihres eigenen Eigentums interessiert, was dafür vor der Tür herum liegt, ist ihnen egal. So wurde der Müll gerne vor der Haustür ausgeleert, was sich an vielen Stellen
Haveli (Stadtvilla) in Jaisalmer.
Erst wurden wir von einem Führer, den unser Fahrer angeheuert hatte, durch die Straßen geführt, wobei wir einige schöne Havelis (Stadtvillen) von außen und innen besichtigten. Das Fotografieren im Inneren war zwar nicht erlaubt, aber dieses Verbot wurde gerne vergessen, wenn man dafür den freundlichen Aufpasser mit ablichtete.
Anschließend eroberten wir das Fort, was bisher mehr oder weniger uneingenommen geblieben war. Meist haben die Bewohner nach einer längeren Belagerung den Freitod gewählt, so dass hinterher niemand mehr da war, der die Truppen versorgen konnte und auch die Angreifer wieder abziehen mussten.
Zum Sonnenuntergang schauten wir uns die schmucken Grabanlagen auf den Hügeln vor der Stadt an und genossen die Aussicht über die ganz aus Sandstein gefertigte "Goldene Stadt".
Dienstag, 25.10.
Die Fahrt nach Bikaner war lang und langweilig. Es war eine dieser Fahrten, wo wir froh waren, dass wir nicht in Gefahr liefen, am Steuer einzuschlafen. So konnten wir nach den anstrengenden Tagen ein wenig vor uns hin dösen und Schlaf nachholen, denn wir liefen bei der Eintönigkeit der Landschaft nicht Gefahr, etwas Wichtiges zu verpassen.
In Bikaner besichtigten wir das große Fort, das sich dadurch von den vorherigen deutlich unterschied, dass es nicht auf einem Felsen sondern ebenerdig stand, was es etwas
Vor Diwali werden überall Unmengen von kleinen Öllampen verkauft.
Die Badezimmer in unseren Hotels waren meist einfach eingerichtet, teilweise gab es sogar richtig heißes Wasser, was allerdings keine Selbstverständlichkeit war. Außerdem scheint die großartige Erfindung des Duschvorhangs weitgehend an Indien vorbeigegangen zu sein, so dass man manchmal besonders nach Dirks Duschen einen Schwimmkurs rund um die Toilette hätte geben können.
Wer in Physik ein wenig fit ist - zum Beispiel natürlich alle meine Schüler[13][13] Ich bin und bleibe halt ein unerschütterlicher Optimist. - der kennt die Linke-Hand-Regel, die die Richtung der Lorentzkraft angibt. In Indien gibt es dagegen die Rechte-Hand-Regel. Kurz gesagt: Gegessen wird mit rechts, der Hintern abgewaschen mit links.
Ein Kind, das sicher nicht in den Genuss einer Schulbildung kommt.
Mittwoch, 26.10.
Zu Beginn der Fahrt nach Jaipur besuchten wir die Ehrengrabmalstätte Devi Kund Sagar, wo die königliche Familie Bikaners und einige weniger bekannte Leute beigesetzt sind. Uns persönlich war aber niemand aus der Gruppe geläufig.
Anschließend ging es weiter nach Fatehpur, wo es ein paar Havelis (Stadtvillen) zu bestaunen gab. Aus Mangel an einer Führung und durch den teilweise von außen sehr heruntergekommenen Anblick haben sie allerdings nicht den überwältigenden Eindruck auf mich gemacht, so dass ich eher dem wilden Straßentreiben zusah.
Danach zeigte Singh uns den Samode Palace, ein alter Palast und gegenwärtig teures Hotel. Wir checkten aber nicht ein,
Außenfassade vom Palast der Winde.
Auf dem Markt in Jaipur hielten wir - wie schon die letzten Tage - fleißig aber erfolglos Ausschau nach schönen Ansichtskarten, die in Indien scheinbar schwierig zu bekommen waren. Als uns ein Händler von Seidentüchern in sein Geschäft locken wollte, sagte Dirk, dass wir nur auf der Suche nach Postkarten seien. "Klar, haben wir auch.", antwortete der Händler, was zwar keiner von uns glaubte, aber wir wollten trotzdem mal sehen, was passierte. Also kamen wir herein, und der Händler schickte erst mal seinen Laufjungen fort,
Am letzten Tag von Diwali gibt es viel Feuerwerk, und Öllampen werden auf die Kreuzungen gestellt.
An diesem Tag war der Höhepunkt von Diwali, einem mehrtägigen hinduistischen Fest, das grob gesagt in etwa die Summe aus Weihnachten und Neujahr darstellt. Überall standen Unmengen von kleinen Öllampen herum oder wurden durch die Gegend getragen. Dazu gab es viel Feuerwerk, das wir uns von der Dachterrasse unseres Hotels ansahen.
Donnerstag, 27.10.
Wir starteten den Tag ein paar Kilometer nördlich von Jaipur in Amber. Dort thront eine mächtige Festung, die durch Bergketten und hohe Schutzmauern gesichert ist.
Amber Fort.
Die Burg ist groß und eindrucksvoll, und man bekommt einen guten Überblick über das Tal und den Ort Amber, so dass wir es ausgiebig erkundeten. Symptomatisch war, dass wir nach der gestrigen Aktion mit dem Seidentuchhändler jetzt auch endlich Souvenirgeschäfte mit Postkarten fanden.
Anschließend fuhren wir zurück nach Jaipur zum Palast der Winde (Hawa Mahal), dessen prächtige Fassade zu Recht als Wahrzeichen von Jaipur dient und das eine oder andere Foto rechtfertigt (siehe oben). Das Lustschloss diente dazu, den Haremsdamen
Farbenprächtiges Glasmosaik im Palast der Winde.
Nebenan befindet sich der Stadtpalast, der vor allem durch seine schönen Ornamente und reichen Verzierungen hervorsticht. Wir hatten allerdings das Problem, dass er sich für unsere Augen nicht sonderlich von den bisherigen Palästen unterschied. Dadurch setzte ein gewisser Sättigungseffekt ein, was dazu führte, dass uns die Paläste nicht mehr vom Hocker rissen. In diesem befanden sich auch zwei riesige Gefäße, in denen der Herrscher Anfang des 20. Jahrhunderts 8000 l Wasser aus dem Ganges mit nach England nahm, weil er dem westlichen Wasser nicht vertraute. Wir kauften dagegen abgepackte Getränke direkt vor Ort, weil wir dem indischen Leitungswasser nicht ganz vertrauten. Die Preise schwankten dabei teilweise abenteuerlich. Heute sollte eine Flasche Cola 70 Rupien (ca. 1 €) kosten, allerdings wussten wir mittlerweile, dass unten auf der Dose eine Preisempfehlung (wie bei anderen Flaschen auch) aufgedruckt war, die 20 Rupien besagte. Dirk wies darauf hin, worauf wir sie ohne weitere Verhandlungen für den Preis bekamen. Als wir später am Tag an der gleichen Bude weitere Getränke kaufen wollten, konnten wir den Preis nicht unter 30 Rupien drücken.
Das Observatorium Jantar Mantar, was oft lobend erwähnt wird, fand ich etwas enttäuschend.
Eingang zum Pfauenhof des Stadtpalastes.
Abends fuhren wir zum über der Stadt gelegenen Fort Nahargarh, das nicht viel hermachte. Die Aussicht über Jaipur und die Umgebung war allerdings schön.
Freitag, 28.10.
Heute ging es zurück nach Delhi, wo wir die letzten beiden Tage verbringen wollten. Unser Fahrer hatte sich in unserer Abwesenheit einen Platten geholt, so dass wir noch einen kurzen Stopp in einer Autowerkstatt machten,
Die Außenfront des Roten Forts kann man auch ohne Eintrittskarte prima bei Nacht fotografieren.
Am ersten Tag in Delhi waren wir bei einem Schneider gewesen, wo Dirk und ich einen Maßanzug in Auftrag gegeben hatten, der morgen fertig sein sollte. Wir schauten dort vorbei und konnten die fast fertigen Exemplare schon mal bewundern.
In das Innere kommt man abends nur zur Licht- und Tonshow hinein.
Nach einem kurzen Abstecher zum Hotel fuhren wir zum Roten Fort, wo wir die Ton- und Lichtshow buchten. Zum ersten Mal erschien uns Singh dabei ungehalten, da seine Standartvereinbarung für Delhi wohl nur 8 Stunden Arbeit und 80 km pro Tag vorsah. Wir hatten aber schon von Deutschland aus darauf geachtet, dass wir eine Zeit- und Kilometerpauschale für die gesamte Reise hatten. Nach einer kurzen Rücksprache mit seinem Chef war das Problem erledigt, wobei unser Fahrer nicht so ganz glücklich darüber schien.
Die Licht- und Tonshow war lediglich mittelmäßig. Sie setzte eher auf Ton, und die wenigen Lichteffekte stellten einfach nur unterschiedliche farbige Beleuchtung der Gebäude dar. Dafür konnten wir ein paar nette Nachtfotos vom Fort machen.
Interessant war es für mich zu beobachten, wie Singh mit uns interagierte und wen er für den Anführer von uns dreien hielt. Natürlich waren wir gleichberechtigt, aber wie fasste das unserer Chauffeur auf? Ich hatte das Auto bezahlt,
"Überladen" ist in Indien ein Fremdwort.
Samstag, 29.10.
Während der Reise hatte jeder von uns früher oder später mal ein wenig mit seinem Darm zu kämpfen, was wir auf das ungewohnte Essen und
Jama Masjid, die größte Moschee Indiens.
Dann fuhren wir zur Jama Masjid, der größten Moschee Indiens, in deren Innenhof bis zu 25.000 Gläubige Platz finden. Wir kannten uns zu wenig mit der Symbolik aus, so dass für uns alle Moscheen ähnlich aussahen. Wie vor jeder Moschee musste man die Schuhe ausziehen, und die vielen Tauben, die dort gefüttert wurden, sorgten nicht dafür, dass das Umherwandeln eine große Freude war.
Weiter ging es zum Roten Fort, das dem Fort von Agra nachempfunden ist. Eigentlich ist es eher ein mit großen Steinmauern umzäunter Palast mit Audienzhalle, Moschee, Bädern
Der "Hello-Kitty-Look" ist in.
Mohandas Karamchand (Mahatma) Gandhi ist vermutlich der berühmteste Inder der Geschichte. Er hat sich ganz enorm für jegliche Form der Gleichberechtigung und für die indische Unabhängigkeit stark gemacht, wobei er sich stets gegen Gewalt aussprach. Er trat häufiger in den Hungerstreik, was ich selbst bei dem indischen Essen nicht hinbekommen hätte. Bei der Besichtigung des Gandhi Museums erfuhren wir auch, dass er die Bedürfnislosigkeit propagierte. Er sagte sich von allen irdischen Besitztümern bis auf fünf frei.
Vater mit Kind.
Epilog
Und, war Indien die Reise wert? Ja, auf jeden Fall, wobei es uns nicht so umgehauen hat, dass wir nächstes Jahr wieder hin müssen. Insgesamt hatten wir ein wenig das Gefühl, als würden sich die Sehenswürdigkeiten wiederholen, obwohl es mir auch schwer fällt zu sagen, was man denn nun hätte weglassen sollen. Indien und seine Bewohner bieten ein unwahrscheinlich großes Potential, das allerdings durch mangelnde Organisation und Investitionen an den falschen Stellen weitgehend vergeudet wird. Meine oben abgelieferte Beschreibung des Landes oder besser gesagt des Bundesstaates ist leider viel zu oberflächlich, um einen angemessenen Eindruck davon zu vermitteln. Vermutlich muss man doch persönlich hin, um sich selber eine Meinung bilden.