Von Hongkong auf das Dach der Welt
George Orwells 1984 in der Praxis
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5. Juli (Freitag)
Am Vortag hatten wir in Hamburg das Flugzeug bestiegen und waren über Helsinki (Finnland) nach Hongkong eingereist. Das Visum für die ehemalige britische Kronkolonie gab es direkt bei der Einreise,
Natürlich wollten wir in China auch lebendige Pandas sehen.
Zunächst erkundeten wir ein wenig die Umgebung des Hotels, das Viertel Kowloon, das die höchste Bevölkerungsdichte von Hongkong aufweist. Schließlich schlugen wir auf der Avenue der Stars auf, wo alles, was hier Rang und Namen im Filmgeschäft hat(te), verewigt ist – also sozusagen der Walk of Fame von Hongkong. Mir sagten nur wenige der Namen etwas, aber ich bin da wohl auch nicht das Maß der Dinge.
Nachts bewunderten wir die Skyline mit und ohne Lasershow. Die Skyline war schön anzusehen und die Lasershow nett, allerdings hatten wir da in Singapur in beiderlei Hinsicht schon Besseres gesehen. Trotzdem genossen wir die Ausblicke über und das Flanieren am Wasser entlang, wozu der warme Sommerabend wirklich einlud.
6. Juli (Samstag)
Der Lonely Planet schreibt über Hongkong: „Wäre Hongkong ein Mensch, dann wäre es eine Frau, [..]. Sie wäre ein Widerspruch und ein Rätsel und auf jeden Fall hätte man mit ihr einen Heidenspaß.“
Sagt das mehr über Hongkong oder über den Verfasser dieser Zeilen aus? Ich weiß es nicht. In einem stimmte es aber: Die Temperaturen waren sehr widersprüchlich. War es draußen heiß und schwül, so froren wir drinnen in den völlig unterkühlten Räumen, sodass wir oft schnell wieder raus wollten. Das ist auch eine Möglichkeit, etwas für den Klimawandel zu tun.[1][1] Vielleicht sollte ich mit meinen vielen Flugreisen bei dem Thema eher leise sein.
Zum Frühstück gab es leckere Säfte und – zu unserer Überraschung – Milch! Erst vor ca. 8000 Jahren gab es in Europa eine genetische Veränderung, die dazu führte, dass auch Erwachsene Milch vertragen können. Dieser „Gendefekt“ breitete sich langsam aus, sodass in Deutschland nur ca. 15 Prozent der Bevölkerung an einer Laktoseintoleranz leiden,
Die Lasershow kommt über der Skyline von Hongkong nur bedingt zur Geltung.
Hongkong[3][3] Zu deutsch: duftender Hafen. hat sieben bis acht Millionen Einwohner und liegt im Süden Chinas auf mehrere Inseln bzw. Halbinseln verteilt. Diesmal nahmen wir uns den Stadtteil „Central“ vor, der auf der anderen Seite der Bucht gegenüber von Kowloon liegt, und schlossen uns dort einer „Free Walking Tour“[4][4] Diese Stadtführung erfolgt zu Fuß und am Ende spendet man den Betrag, den man für angemessen hält. Also quasi die Shareware unter den Stadtbesichtigungen. an, mit denen wir bereits in Brasilien gute Erfahrungen gemacht hatten. „Anschließen“ ist dabei allerdings nicht das richtige Verb, da wir die einzigen Teilnehmer waren. So bekamen wir eine Privattour, auf der alle unsere Fragen beantwortet wurden.
Danach schlenderten wir weiter durch die Straßen, Gassen und Märkte, besuchten ein paar Kirchen und Tempel und landeten schließlich im zoologischen und botanischen Garten. Die ausgestellten Tiere saßen leider alle hinter engmaschigen Gitterstäben oder Scheiben,
Während wir ein Geschäft besuchten, betrat ein Kunde mit zwei Vögeln den Laden, setzte diese auf ein Schild und kaufte gemütlich ein.
Am Abend besuchten wir erneut die Wasserfront, diesmal aber auf der gegenüber liegenden Seite im Vergleich zum Vortag. Das gab natürlich eine Menge neuer Ein- und Aussichten, die zu unzählbar vielen weiteren Fotos von Stahl und Beton führten, obwohl mir schon vorher klar war, dass ich sie nach dem Urlaub würde stark kürzen müssen. Trotz der vielen Bilder hatten wir das Gefühl, dass die echten Highlights unter den Gebäuden fehlten.
7. Juli (Sonntag)
Die Stadt wurde 1841 während des ersten Opiumkriegs vom Vereinigten Königreich besetzt und schließlich durch den Abschluss der „Ungleichen Verträge“ 1898 für 99 Jahre an Großbritannien verpachtet. 1997 wurde sie vertragsgemäß an die Volksrepublik zurückgegeben.
Wir enterten das kostenlose Hong Kong[5][5] Dies ist kein Rechtschreibfehler, da Hongkong auf Englisch in zwei Worten geschrieben wird. Museum of History, das als Aushängeschild der Stadt kurz nach der Übergabe entworfen und gebaut worden war. Es schilderte oberflächlich die naturgeschichtliche Entwicklung der Region, aber ausführlich und gut die Entwicklung der Stadt bis zur Übergabe. Dazu kam eine extrem nach Propaganda riechende Sonderausstellung, die die geplante Entwicklung Chinas in den nächsten Jahrzehnten beleuchtete.
Nach fünf Stunden waren wir fertig und machten uns zum Victoria Peak auf, von wo man theoretisch einen schönen Überblick über das Häusermeer haben kann.
Die Deutschen sind in China nicht mehr gerne gesehen. Nachdem Bundesaußenminister Heiko Maas den Aktivisten Joshua Wong getroffen hatte, äußerte die chinesische Regierung „starke Unzufriedenheit“ und protestierte formell gegen das Treffen.
Die Sonderverwaltungszone Hongkong, wie die Region offiziell heißt, genießt laut Vertrag mindestens bis 2047 eine gewisse Autonomie, durch die sie eigene Gesetze und eine eigene Währung besitzt. Das bereits von den Engländern eingesetzte Wahlverfahren ist allerdings so konstruiert, dass es ziemlich undemokratisch und leicht von China aus zu kontrollieren ist. So forcierte die Regierung ein Gesetz, das dazu führen sollte, dass für das Regime unbequeme Personen an China ausgeliefert werden können. Dies sorgte für Protest unter den Hongkonger Bürgern, woraufhin die Polizei mit Gewalt einschritt und noch mehr Widerstand provozierte. Weitere wichtige Forderungen beinhalten, dass das gewalttätige Vorgehen der Polizei untersucht und ein besseres Wahlsystem eingeführt wird. Auch wenn der Gesetzentwurf mittlerweile zurückgezogen wurde, schaukelt sich die Situation weiter hoch und China bereitet sich schon auf ein militärisches Eingreifen vor. Die Situation erinnert an die gewaltsame Niederschlagung der Studentenproteste auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking. Hoffentlich kommt es nicht dazu. Obwohl an dem Tag alles friedlich wirkte, hatten wir doch etwas Sorge, zwischen die Fronten zu geraten.
8. Juli (Montag)
Wie nutzten den Vormittag, um zu bestätigen, dass Sigrid ein Nerd ist. Wir besuchten den „Hot Toys“-Laden, in dem verschiedene Sammlerfiguren angeboten werden. Sigrid interessierte sich insbesondere für Star Wars und Marvel. Ein bisschen überraschend war, dass man die Figuren vor Beginn der Produktion online bestellen muss, damit dann die entsprechenden Stückzahlen hergestellt werden. Nicht ganz klar wurde uns, wozu der Laden dann eigentlich diente.
Bevor wir mit dem Zug nach Guilin weiterfahren konnten, mussten wir unsere Tickets abholen, das Gepäck und uns durchleuchten lassen, unsere Pässe mit den Fahrkarten gemeinsam vorzeigen, das Visum kontrollieren lassen
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Das Reich der Mitte ist auf dem Weg zur Totalüberwachung.
Überall hängen sie herum und filmen die Bevölkerung. Das Material wird elektronisch ausgewertet und die Gesichter automatisch erkannt. Nächstes Jahr soll in ganz China ein Punktesystem eingeführt werden, dass das Verhalten aller Bürger analysiert und bewertet. Man kann es durchaus positiv sehen, dass das Überqueren einer roten Ampel oder zu hohe Geschwindigkeit zu einem Punktabzug führt, vielleicht sogar der Einkauf von Alkohol, aber in den laufenden Pilotprojekten wird auch das Kritisieren der Staatsorgane oder der Umgang mit Leuten, die nur einen geringen Score haben, mit einer Abwertung bestraft. Wenn man nicht genügend Punkte vorweisen kann, wird man nicht befördert, der Nachwuchs darf nicht auf die bevorzugte Schule, man bekommt keine Flug- oder Eisenbahntickets[7][7] Dies soll alleine im letzten Jahr schon 6,7 Millionen Mal geschehen sein. oder der Internetzugang wird eingeschränkt. Dies sorgt für eine soziale Isolation derjenigen, die Missstände des Systems anprangern. Wer hätte vorhergesehen, dass George Orwells Vision „1984“ aus dem Jahre 1948 nun in China Wirklichkeit wird?
Was dagegen fehlte war Nahrung. Wir wollten auf dem Bahnhof etwas essen,
Insbesondere Dirk ist gut darin, überall kleine Tiere zu entdecken, deren Kunstwerke wir bewundern können.
So knurrte vor allem Dirk und Sigrid der Magen, als wir schließlich spätabends in der „kleinen Stadt Guilin“[9][9] Dies war die Beschreibung unserer Führerin zu der 5-Millionen-Einwohner-Metropole. einliefen. Wegen großen Regenfalls, der uns auch die kommenden Tage noch beschäftigen würde, waren die Bürgersteige allerdings schon lange hochgeklappt und auch im Hotel schloss der letzte Laden just vor uns.
Die Landschaft war wirklich malerisch, hatte aber aufgrund der Witterung Mühe, ihre Stärken auszuspielen.
9. Juli (Dienstag)
Obwohl wir am Vortag fast gar nichts, das dafür aber vollständig aufgegessen hatten, war das Wetter nicht gut.[10][10] Das Sprichwort: „Wenn du aufisst, dann gibt es morgen gutes Wetter.“ resultiert aus einer Lautverschiebung und bedeutete ursprünglich, dass es dann morgen „wieder Gutes“ (Plattdeutsch „goodes wedder“) zu essen gibt. Es schiffte den ganzen Tag ohne Unterlass, während wir unverzagt durch die pittoresken Reisterrassen bei Longsheng nördlich von Guilin taperten und versuchten, den manchmal starken, häufig aber noch stärkeren Nebel zu ignorieren. Trotzdem hat uns der Ausflug in die Reisterrassen gut gefallen.
Zwischendurch kehrten wir bei einem einheimischen Bauern ein, bei dem es leckeres und reichliches Mittagessen mit selbstgemachten
Auch beim nächtlichen Fotografieren wacht unser „großer Bruder“ über uns.
Abends gab sich das Wetter versöhnlich und wir schlenderten durch die City und genossen das Treiben und die schönen Blicke auf den See, die kitschig bunt angestrahlten Bäume, zwei schöne Pagoden und ein Hochhaus mit Wasserfall.
10. Juli (Mittwoch)
Wegen der starken Regenfälle an den Vortagen wurde unsere eigentlich geplante Flussfahrt leider abgesagt,
Genau diese Szenerie ist – mit etwas künstlerischer Freiheit bedacht – auf dem 20-Yuan-Schein zu sehen.
Anschließend besuchten wir eine sogenannte „Romance-Show“, obwohl uns deren Konzept im Vorfeld etwas fragwürdig vorgekommen war. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um eine große Theatershow, an die vorher und nachher ein paar kleinere Acts in den etwas künstlich wirkenden davorstehenden nachgebauten alten Gebäuden angegliedert waren.
Die Story, die nur teilweise englisch untertitelt war, offenbarte sich uns nicht in ihrer vollständigen Tiefe,
Die Show war technisch perfekt umgesetzt und glänzte mit großen Wassereffekten, farbenfrohen Hintergründen und netten artistischen Einlagen.
Anschließend gab es noch eine kleine Wassershow mit einem Flyboard, das allerdings außer Schweben und
Auch eine Laser-Show war im Einsatz.
Danach gab es einen leckeren Hotpot, so eine Art äußerst leckeres chinesisches Fondue, und einen kleinen Gang durch Yangshuo, bevor wir wieder zum Bahnhof mussten, von wo wir nach Zhangjiajie aufbrachen. Das Umsteigen, das ohne Kenntnisse der für uns kryptisch aussehenden Schrift nicht ganz trivial war, weil sowohl englische Hinweise als auch Englischkenntnisse Mangelware waren, konnten wir trotzdem gut meistern. Wir fühlten uns halt irgendwie heimisch, da beide Züge bis zu 60 Minuten Verspätung hatten.[12][12] Rekord an der Anzeigetafel waren an diesem Tag 415 Minuten.
Der Schlafwagen wirkte wie aus den 50ern, aber immerhin hatten wir alleine ein Viererabteil für uns drei. Auch so war es mit unserem Gepäck schon eng. Nach dem Einsteigen standen wir noch 40 weitere Minuten auf dem Bahnhof herum,
Die angeblich „größte natürlich Brücke der Welt“ ist zwar nicht wahnsinnig lang, dafür aber sehr hoch.
11. Juli (Donnerstag)
Unser Führer Derrick[13][13] Nicht geklärt ist, ob einer unserer Fahrer „Harry“ hieß. wartete schon lange auf uns, als wir endlich in Zhangjiajie ankamen. Natürlich stürzten wir uns – nach einem Frühstück[14][14] Dirk war ja schließlich auch dabei. – wieder ins Besichtigungsprogramm. Heute stand der Zhangjiajie National Forest Park auf dem Plan. Zunächst fuhren wir mit einer Seilbahn gemütlich in Höhe und bewunderten die ausdrucksstarken Felsformationen. Dabei hatten wir mit dem Wetter Glück und Pech. Einerseits war es trocken, andererseits diesig, was die pittoresken Ausblicke deutlich abmilderte. Dann ging es oben auf dem Plateau mit Bussen weiter zu den nächsten Aussichtpunkten, unter anderem auch zu einer natürlichen Brücke.
Spätestens hier offenbarte sich uns, warum es schien, als seien die Anlagen für deutlich mehr Personen ausgelegt.
Der „Halleluja-Mountain“soll James Cameron als Vorlage für die fliegenden Berge in „Avatar“ gedient haben.
Beim Anstehen gingen die Asiaten ohne Rücksicht auf Verluste vor. Selbst wenn (abgezählte) 20 Leute einen Bus enterten, in dem mehr als 20 Sitzplätze frei waren, gab es ein Hauen und ein Stechen, wer zuerst durch die schmale Tür durfte,
Auch hier standen wir natürlich wieder unter strenger Beobachtung.
Ich kann gut verstehen, dass man tolle Berge und hübsche Felsformationen fotografiert und dass man dabei auch mal ein oder im Extremfall sogar zwei[15][15] Okay, das ist eine leichte Untertreibung. Bilder mehr anfertigt, als eigentlich nötig gewesen wären. Ich begreife nur nicht, warum man auf jedem Bild selber mit darauf sein muss! Warum muss es denn unbedingt ein Selfie zusammen mit den drei besten Freundinnen sein, bei dem die Attraktion, die eigentlich auf das Foto gehört, unscharf wird oder im besten Falle gleich von den Personen im Vordergrund verdeckt wird? Glauben einem sonst andere Leute nicht, dass man wirklich da war? Wenn das Bild dann im Kasten ist, muss man es natürlich direkt an Ort und Stelle oder spätestens beim Weitergehen sofort in die entsprechenden Kanäle posten. Ich weiß nicht, ob es in Europa mittlerweile an den angesagten Spots genauso schlimm ist, aber in diesem Urlaub ist uns das extrem aufgefallen. Wir ernteten dagegen von unseren Führern teilweise Erstaunen, dass wir so wenig Bilder von uns machten.
12. Juli (Freitag)
Im strömenden Regen machten wir uns zum Baofeng-See auf, der durch das Anlegen eines Dammes entstanden war. Trotzdem stellte sich uns der See sehr verwunschen dar,
Die Brücke war bei ihrer Eröffnung im August 2016 die höchste und längste Glasbodenbrücke der Welt.
Von dort ging es dann auf Stufen in den Canyon hinunter und auf Holzbohlen weiter, was das Spazieren sehr angenehm machte. Dadurch kam allerdings wenig Gefühl für die Landschaft auf. Andererseits war sowieso das meiste Fake: Der Wasserfall, der kleine See … Trotzdem lieferte der zweieinhalbstündige Spaziergang sehr schöne Aussichten, die nur durch das Wetter in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Wenn wir alleine Essen gingen, dann konnte es manchmal sehr spannend werden, wenn sich keine lateinischen Buchstaben oder Bilder im Menü fanden. Allerdings ließ sich auch immer gut erkennen, wie geschickt die Angestellten damit umgingen und wie nett sie Hilfen anboten. Fehlende Englischkenntnisse waren tatsächlich oft ein Problem, was ich im Vorfeld nicht so gedacht hätte.
Die Yellow Dragon Cave ist sozusagen der Trump unter den Höhlen.
13.7. (Samstag)
Nach dem Frühstück ging es zur Yellow Dragon Cave, die so hieß, weil „alle Chinesen Drachen mögen“.[16][16] Warum gibt es dann in Deutschland keine „Eiscreme-Höhle“? Das Höhlensystem glänzte mit 13 km Länge, einer 4000 m² großen Höhle und zwei unterirdischen Flüssen durch seine Größe, versagte allerdings völlig in Bezug auf Authentizität – und damit meine ich nicht die planierten Wege, die bunten Lichtstrahler oder die geweiteten Durchgänge zwischen den Kammern, sondern die teilweise betonierten Wände und Decken und die Stalagmiten, die an Stellen in der Gegend herumstanden, an denen sie definitiv nicht entstanden sein konnten, oder extra so modelliert waren, dass sie Arrangements mit klangvollen Namen ergaben.[17][17] Z. B. „Hahn, der den Morgen begrüßt“ und „Drachenkönigs Palast“. Entweder waren sie bei der Gestaltung der Höhle versetzt worden oder sie waren einfach aus Beton hergestellt worden. Leider war nirgends ausgeschildert, was sich noch im Originalzustand befand und was nur ein Fake war.
Anschließend fuhren wir mit der Seilbahn zum Tianmen-Mountain hoch. Die Wartezeit war lang, die Sicht eher bescheiden und die Stimmung nicht gerade umwerfend, aber alles drei besserte sich mit der Zeit. Oben auf dem Berg war es zwar immer noch so voll mit Touristen, dass ich beim Wandern in den Alpen extrem genervt gewesen wären, aber für chinesische Verhältnisse war es okay.[18][18] Man muss halt nur geschickt vergleichen.
Das Loch ist so groß, dass man mit einem Flugzeug hindurchfliegen kann.
Der Weg offenbarte manch schöne Abwechslung, bis wir schließlich mit einer Rolltreppe[19][19] Genauer gesagt waren es rund ein Dutzend hintereinander liegende, zwischen denen jeweils ein Aufpasser stand und mit ernster Stimme verkündete, wie man sich bei der Benutzung zu Benehmen hatte. Das wäre ja so gar nicht mein Lieblingsjob gewesen., was ich im Vorfeld auch nicht antizipiert hatte, zu einem großen Loch im Berg und dann noch weiter runter fuhren. Endlich gab es um halb Sieben Uhr Abendbrot und wir fragten uns, ob es eigentlich normal ist, dass die Reisegruppen hier ohne Mittagessen den ganzen Tag auf Achse sind.
Um Mitternacht flogen wir dann noch nach Xi’an weiter, wo wir gegen drei Uhr morgens erschöpft in die Betten fielen. Überhaupt hatten wir in diesem Urlaub oft relativ kurze Nächte, weil wir uns im Vorfeld bemüht hatten, unsere Verbindungsreisen in die späten Abendstunden zu legen, und weil wir teilweise das Programm, das Touristen normalerweise in drei Tagen absolvieren, in zwei Tage quetschten, um so in der gleichen Zeit mehr erleben zu können.[20][20] Wie waren ja schließlich nicht zum Vergnügen unterwegs.
14.7. (Sonntag)
Zunächst besuchten wir die siebenstöckige und 64 m hohe Große Wildganspagode und das dazugehörige Kloster. Anschließend fuhren wir zu einer Produktionsstätte für Terrakotta-Figuren, in der wir dann selber Hand anlegen mussten. Jeder von uns begann quasi mit seiner eigenen Terrakotta-Armee. Obwohl unsere drei Kunstwerke natürlich meisterlich gefertigt worden waren,
Unten drängten sich die Tonkrieger, …
Das Mausoleum Qín Shǐhuángdìs wurde 200 Jahre vor Christi Geburt von 700.000 Arbeitern erbaut und ist eine der größten Grabbauten der Welt. Besonderes Highlight sind die vier überdachten Gruben,
… oben drängelten die Touristen.
Hans[21][21] Es ist in China nicht unüblich, sich einen englischen, deutschen oder anderssprachigen Namen zu geben, um Ausländern die Aussprache zu erleichtern und nicht gewollte Übersetzungen des eigenen Namens zu verhindern. prägte den – wie ich finde – sehr schönen Begriff „Harmoniepause“ für den Gang zum WC, aber natürlich hielten wir auch so mal zur Erholung an. Während einer Pause, in der wir ein paar Getränke zu uns nahmen, landeten wir plötzlich in einer netten Tee-Verköstigung mit einer sehr geschäftstüchtigen Verkäuferin und erfuhren alles Wichtige über verschiedene Teesorten und deren Zubereitung. Anschließend wechselten Tees, Teeschälchen und Becher den Besitzer.
Unser örtlicher Reiseleiter war ebenso geschäftstüchtig und verkaufte Sigrid und mir[22][22] Dirk blieb aus gesundheitlichen Gründen im Hotel. für den Abend noch zusätzliches Programm, von dem der ursprüngliche Reiseveranstalter augenscheinlich nichts wusste.
Am Nordturm der Stadtmauer war viel los.
Nach unserer vollständigen Sättigung stürzten wir uns ins Nachtleben von Xi’an.[23][23] Also das, was Fotografen halt als Nachleben bezeichnen. Wir besuchten schön angestrahlte Gebäude (z. B. das Stadttor und die Große Wildganspagode vom Vormittag) und landeten schließlich in der Fußgängerzone, wo der Bär tobte und die zu Recht den Namen „Klein Vegas“ trug. Die Temperatur war auf fast angenehme 35° Celsius gesunken, es gab kleine kostenlose Konzerte, Spielmöglichkeiten für die Kinder, Springbrunnen und vor allem sehr viel Licht. Ich habe schon lange nicht mehr einen so bunten Ort gesehen und so viele Nachtfotos auf einmal gemacht.[24][24] Ich musste auch dringend aufholen, denn Sigrid hatte einen deutlichen Vorsprung vor mir. Ich habe den bis zum Ende des Urlaubs aber nicht nennenswert verringern können. Ich hatte das Gefühl, unser Führer war auch schon ein wenig ungeduldig, weil er nicht vermutet hatte, dass Sigrid und ich so lange für die Tour brauchen würden.
15.7. (Montag)
Wegen der Nachttour am Vortag und unserem Aufstehen um 5.00 Uhr war die Nacht mal wieder extrem kurz. Dafür fuhren wir mit dem ersten Zug nach Pingyao.
Nach einem kurzen Auffrischen im Hotel machten wir einen ausführlichen Rundgang durch die City, die vor allem wegen ihres mingzeitlichen[25][25] Die Ming-Dynastie herrschte von 1368 bis 1644. Stadtbildes bekannt ist. Hier wurde die erste Bank Chinas gegründet, aber durch den Aufstieg von Hongkong und Shanghai Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verlor sie an Bedeutung, was dazu führte, dass sie die Kulturrevolution und Modernisierung relativ unbeschadet überstanden hat.
Auf der Mauer, auf der Lauer steht eine Touristin – und daneben natürlich die obligatorische Überwachungskamera.
16.7. (Dienstag)
Zunächst fuhren wir mit dem Zug nach Beijing, wobei wir mittlerweile schon so viel Routine hatten, dass uns auch die weitgehend fehlenden englischsprachigen Bezeichnungen nicht mehr störten. Auch dass Simon, unser Reiseleiter, an Ausgang 2 wartete, während wir den Bahnhof durch Ausgang 3 verließen, brachte uns nicht aus der Ruhe. Immerhin waren wir überall gut zu erkennen, da nur wenige westliche Gesichter unterwegs waren.
Anschließend ging es gleich mit dem Auto weiter zur künstlich nachgebauten Wasserstadt Simatai, eine Art Themenpark, der als einzige Fahrattraktionen eine Seilbahn hoch zur chinesischen Mauer bot. Alles war eigentlich sehr schön gestaltet und geschickt auf alt getrimmt, aber trotzdem fehlte die Seele.
Die gehende Person auf der rechten Seite wurde mit Drohnen dargestellt.
Unser Reiseleiter war eher einer der maulfaulen Sorte. Um an Informationen zu kommen, musste man ihn direkt ansprechen, während wir eigentlich dachten, dass er spätestens dann etwas über die große Mauer erzählen würde, wenn wir gerade mit der Seilbahn zu ihr hinauf fahren. Er sah das wohl anders. Dafür erhielten wir manchmal recht überraschende Antworten auf unsere Fragen.
„Wie hoch ist die große Mauer?“
„Sie ist im Mittel 1000 m hoch.“ Kurze Pause. „Über dem Meeresspiegel.“
Wir erkundeten die Mauer noch etwas bei Tag und warteten dann auf die Dunkelheit. Einen schönen Sonnenuntergang gab es aufgrund des Dunstes und der Wolken leider nicht zu sehen. Die beleuchtete Wasserstadt war von oben ganz okay, die beleuchtete Mauer hätte mehr Potential gehabt, 100 Drohnen, die wie ein Feuerwerk unter uns farbliche Figuren in die Luft malten, hatten wir dagegen bisher weder gesehen noch erwartet. Das war schon klasse. Nicht ganz klar war dabei, ob Simon eigentlich davon wusste oder genauso überrascht war wie wir.
Da wir noch einen Gutschein für das Spa nebenan bekommen hatten, besuchten Sigrid und ich eben dieses, wurden aber sofort nach Männlein und Weiblein getrennt. Die Anlage enthielt auf beiden Seiten mehrere heiße Bäder in verschiedenen Temperaturen und zwei Saunen, die allerdings schon am Ausklingen waren. Besonders überraschend fand ich, dass die Hälfte der Anwesenden auch hier mit einem Smartphone bewaffnet war.
17.7. (Mittwoch)
Zurück in Beijing besichtigten wir zunächst den Sommerpalast, den Kaiser Qianlong von 1751 bis 1764 als Geschenk zum 60. Geburtstag seiner Mutter errichten ließ.
Obwohl ich den Sommerpalast schon zweimal besucht hatte, fanden sich doch neue Ecken und Dinge, die ich bisher nicht gesehen bzw. erlebt hatte, wie zum Beispiel die große Bühne und die Fahrt über den Kunming-See.
Zum Mittagsessen gab es leckere Peking-Ente, obwohl sie mir in Deutschland besser gefallen hat. Vielleicht liegt es daran, dass hier mehr Tamtam drum herum gemacht wird, weil sie etwas Besonderes ist, wogegen sie im Reich der Mitte relativ üblich ist. Schön fand ich allerdings, dass es am Ende der Mahlzeit die Knochen mit den restlichen Fleischstückchen daran frittiert und sehr lecker gewürzt gab. Dies war der Ersatz für die fehlende Suppe vorweg und hat das Event noch mal deutlich aufgewertet.
Weiter ging es zum Platz des Himmlischen Friedens, wo Simon uns gestand, dass alle Informationen, die er zu dem Massaker von 1989 hatte, von anderen Touristen stammten. Als ich ihn auf die Demonstrationen in Hongkong ansprach, war er sehr erstaunt, weil ihm diese völlig neu waren.
Oft versuchten wir, unsere Reiseleiter ein wenig über alle möglichen Themen auszuquetschen, worunter gerne auch die politische und menschenrechtliche Situation in China fielen.
Es stellte sich heraus, dass wir genau die gleiche Akrobatik-Show sahen, die ich mir schon zwei Jahre zuvor zu Gemüte geführt hatte.
Am Nachmittag in der Verbotenen Stadt lief alles so ab, wie die letzten beiden Male auch. Irgendwie hat sie mich noch nie so richtig gefesselt. Zum Abschluss des Tagesprogramms besuchten wir noch eine Akrobatik-Show. Nicht so erfreulich war, dass Dirk schon seit Tagen hustete und nur noch wenig aß,[26][26] Das ist immer ein sehr bedenkliches Zeichen. während Sigrid Schüttelfrost entwickelte.
18.7. (Donnerstag)
Am Morgen besuchten wir den Himmelstempel, wo die Kaiser der Ming- und Qing-Dynastien[27][27] Während man in Europa gerne Jahreszahlen oder Jahrhunderte angibt, werden in China in der Geschichtsschreibung oft die entsprechenden Dynastien zur Kennzeichnung eines Zeitraums herangezogen. Auch unsere Führer benutzen meist diese Angaben, obwohl uns konkrete Jahreszahlen lieber gewesen wären. jedes Jahr für eine gute Ernte beteten. Da die Anlage ansonsten leer stand, weil sie niemand Anderes betreten durfte, wurde sie nicht so richtig gut genutzt.
Da Dirk eine Seidenbluse für seine Mutter mitnehmen wollte, besuchten wir noch eine Seidenfabrik, in der es eine (sehr) kurze Einweisung in die Herstellung der Seide gab, die dann nahtlos in ein Verkaufsgespräch überging. Mit der Bluse wurde Dirk zwar nicht fündig,
Auch den Roten Panda, der nicht mit dem bekannteren Großen Panda verwandt, ist konnte man in Chengdu bestaunen.
19.7. (Freitag)
Der Große Panda steht in China unter besonderem Schutz. Für Wilderei und Pelzhandel wurde sogar schon die Todesstrafe verhängt. In Deutschland sind sie so beliebt, dass der Berliner Zoo eine Million Euro pro Jahr für die Leihgabe eines Pärchens bezahlt. Immerhin ist es den Tierpflegern gelungen, am 31. August die ersten in Deutschland geborenen Pandas auf die Welt zu bringen.
Als wir begannen, unsere Reise auszutüfteln, wollten wir gerne Pandas in freier Wildbahn sehen. Dieser Wunsch kollidierte im Verlauf der Planung mit der Realität, sodass im Endeffekt das Panda Breeding Center in Chengdu übrig geblieben war. Ich hatte an etwas gedacht, das in Richtung natürliche Lebensweise der Pandas geht, es stellte sich allerdings heraus, dass es sich im Wesentlichen um einen völlig überlaufenen Zoo mit genau zwei Tierarten handelte. Vor den Gehegen wurde geschoben, gedrängelt und geschubst, wie es halt in China so üblich ist. Gerade bei den Neugeborenen musste man lange anstehen, um dann drei Sekunden in die kleine Aufzuchtstation blicken zu können. Auch wenn schöne Fotos dabei herausgekommen sind, weiß ich nicht, ob sich der Besuch gelohnt hat.
Zurück in der Innenstadt bekam Dirk endlich seine Hustenmedizin aus alten chinesischen Heilkräutern. Ich hätte gerne gewusst, ob Tigerhoden, Seepferdchenzunge oder Otternasen[29][29] Na, Zitat erkennt? Mein Tipp: Monty Python. enthalten waren. So richtig gut wirkte sie nicht.
Dann machten wir eine Tour über einen lokalen Markt und probierten ein paar komische Sachen, unter Anderem auch Hühnerfüße, die immerhin den Vorteil haben, dass sie einen nicht anschauen. Ich empfand sie eher als geschmacksneutral. Im Peoples Park von Chengdu zeige Daisy uns die Matchmakers Corner, eine Art Offline-Partnervermittlung, bei der Eltern Steckbriefe und Kontaktdaten ihrer Kinder veröffentlichen, wenn diese mit 30 noch nicht verheiratet sind. Der „Alte Markt“, den wir danach besuchten, war gänzlich auf Touristen ausgelegt, glücklicherweise allerdings auf chinesische, wodurch wir viel Interessantes entdecken konnten.
In Lhasa ist es ein übliches Bild, dass Pilger mit einer Gebetsmühle oder einer Art Rosenkranz in der Hand um das Heiligtum herum pilgern.
20.7. (Samstag)
Am Morgen flogen wir nach Lhasa auf eine Höhe von 3600 m. Tibet wurde 1950/51 von China besetzt. Seitdem gilt das sogenannte „Abkommen zur friedlichen Befreiung Tibets“[30][30] Meiner Meinung nach trifft der Titel nicht so ganz die Realität., dem der Dalai Lama unter Zwang zustimmte. Auch heute noch erhebt die Tibetische Exilregierung Anspruch auf Tibet. Da China außerdem noch mit Indien im Streit über einen Teil der Gebiete ist, ist die politische Situation alles andere als entspannt.[31][31] Als wir unsere Visa für China beantragten, mussten wir unsere komplette Reiseroute einreichen, erwähnten aber auf Anraten der Reiseagentur kein Wort von Tibet. Unser Trip endete offiziell in Chengdu. Erst wenige Tage vor unserer Einreise nach Tibet konnten wir das Visum für diese Region beantragen. Bis dahin war gar nicht klar, ob wir das Dach der Welt überhaupt würden betreten dürfen. Deswegen ist der Grad der Überwachung hier noch größer als im Rest der Volksrepublik, was wir bereits im Auto merkten. Auf dem Armaturenbrett befand sich eine Kamera, die die Insassen (also uns) filmen konnte. Sie ließ sich von offiziellen Stellen ferngesteuert einschalten, um zu kontrollieren, ob wirklich nur die Leute im Auto saßen, die da auch rein gehörten. Außerdem wurde penibel darauf geachtet, dass wir nur die Strecken fuhren, für die wir eine Genehmigung hatten. Einmal wurde unser Fahrer über den im Auto eingebauten Lautsprecher persönlich angesprochen, als er seine Lenkzeit überschritten hatte. Da wurde sofort eine Pause eingelegt.
Auch als wir abends noch ein wenig durch die schöne Innenstadt von Lhasa spazierten und das geschäftige Treiben genossen, fiel die große Präsenz an Polizei und Militär ins Auge. Bereits auf dem Weg zur Altstadt wurden unsere Taschen durchleuchtet.
21.7. (Sonntag)
Unsere erste Nacht auf 3600 m Höhe wahr nahezu fantastisch, wenn man vom Vorzeichen absieht: So richtig gut geschlafen hatte keiner von uns und wir alle waren mehrfach und teilweise auch längere Zeit wach gewesen. Dirks Husten war zu Sigrid gewandert, die bei sich eine Nasennebenhöhlenentzündung nicht mehr ausschloss. Ich war zwar etwas angeschlagen, schien aber noch der fitteste von uns zu sein.
Am Vorabend waren wir noch ohne zu Keuchen in die vierte Etage gekommen, was allerdings auch daran lag, dass man dafür nur den obersten Knopf drücken musste, heute ging es mehr zur Sache, da die Tempel und der Sommerpalast, den wir besuchten, viele Stufen bereithielten.
Nach dem Frühstück, das aufgrund unserer Verfassung eher kurz und sparsam ausfiel, fuhren wir zum Drepung, einem der drei großen Kloster der Gelug-Schule.
Die ausgestellten Madalas sind aus Sand gefertigt und wurden natürlich in mühevoller und langwieriger Handarbeit hergestellt.
In den Tempeln war es üblich, vor die entsprechenden Statuen jeweils etwas Geld zu legen oder auch Mönche anzustellen, die gegen Bezahlung das Beten übernehmen. Dies und das Betteln sind wichtige Einnahmequellen für die Klöster, die auch heute noch davon leben. Der Einfluss der chinesischen Regierung macht sich hier dadurch bemerkbar, dass man in den Klöstern oft nicht fotografieren darf. So soll weniger Aufmerksamkeit auf die Situation vor Ort gelenkt werden.
Im Sommerpalast Norbulingka verweilte der Dalai Lama traditionell vom vierten bis neunten Monat des tibetanischen Kalenders.
In der Vergrößerung kann man den Sand und die feinen Strukturen gut erkennen.
Dann ging es weiter zum Sera, dem zweiten der drei großen Klöster.[32][32] Nicht umsonst bedeutet Lhasa: „Platz der Götter“. Dort gab es eine riesige Schlange, um seine Kinder segnen zu lassen. Dabei war auch ein Mädchen, von dem unser Guide sagte, sie sei wohl krank und sollte dadurch geheilt werden. Ich finde es völlig in Ordnung, zusätzlich zu einem Arzt eine zweite, vielleicht hilfreiche Instanz aufzusuchen,[33][33] Stichwort: Placebo-Effekt. finde es aber bedenklich, den religiösen Heilungsansatz als Ersatz für die Schulmedizin zu verwenden.[34][34] Impfgegner machen im Prinzip nichts Anderes, nur dass sie nicht die Religion zur Rechtfertigung nutzen.
Anschließend holten wir die Tickets für den kommenden Tag ab, da die beiden Attraktionen so überlaufen sein würden, dass wir sonst wohl nicht hineinkommen würden, vielleicht ist der Grund aber auch, dass es so einfacher ist, unerwünschte Personen fernzuhalten, was ein großes Thema in China ist. Als sich deutsche Politiker mit Vertretern der tibetischen Exil-Regierung trafen, forderte die chinesische Botschaft Wolfgang Schäuble auf, er solle seine Leute disziplinieren.
22.7. (Montag)
Auf dem Weg zum Jokhang-Tempel sahen wir schon die Unmengen von Pilgern, die seit vier Uhr morgens im Uhrzeigersinn[35][35] Dadurch zeigt immer die rechte (reine) Seite zum Heiligtum und die linke (unreine) Seite davon weg. um das wichtigste Heiligtum der Buddhisten in Bewegung waren. Die einen gingen ganz normal mit einer Gebetsmühle in der Hand,
„Morgen-Gymnastik“ der Gläubigen.
Gestern hatten wir nicht aufgegessen, der Wetterbericht sagte Regen voraus und heute Mittag war die Wolkendecke noch geschlossen gewesen. Die Richtung, die das Wetter einschlug, war also klar, aber dann überraschte es uns nach dem Mittagessen plötzlich mit strahlendem Sonnenschein, sodass Sigrid und ich die schon gemachten Bilder vom Potala-Palast erneut machen mussten, weil sie jetzt um ein Vielfaches schöner waren.[36][36] Es gibt durchaus Dinge, die mich im Urlaub stärker stören.
Der Komplex diente vielen Dalai Lamas als Winterpalast und beherbergt heute noch deren Grabstätten. Er war eines der Highlights der Reise. Für das Innere hatte man nach dem Betreten eine Stunde Zeit, bis man wieder draußen sein musste.
Der Potala-Palast zeigte sich nach dem Mittagessen von seiner besten Seite.
Während wir die Stufen hinauf (und später auch wieder hinunter) gingen, bot das Gelände in Verbindung mit dem herrlichen Himmel so viele schöne Motive, dass man beim Fotografieren nur einen Fehler machen konnte, nämlich den Objektivdeckel drauf zu lassen.
23.7. Dienstag
Lhasa hat gut 500.000 Einwohner, also nicht wirklich viel mehr als Hannover. Während ich hier aber nur sehr wenige Häuser sehe, die mehr als fünf Stockwerke haben, so wurde in Lhasa ein ganzes Viertel mit Dutzenden Wolkenkratzern mit gut 20 Stockwerken aus dem Boden gestampft, obwohl es sowieso schon viel Leerstand geben sollte.
Und wieder ein Foto von mir, das ich nicht habe machen lassen.
Heute ging es auf dem Friendship Highway, der bereits in Shanghai beginnt, vor allem aber Tibet und Nepal verbindet, weiter nach Shigatse. Nachdem wir die Autobahn verlassen hatten, gab es ausgedehnte Langstrecken-Geschwindigkeitskontrollen, bei denen wir lediglich 23 km in 46 Minuten fahren durften, was einem Tempo von 30 km/h entspricht. Unser Fahrer fuhr durchgängig 60 km/h und – wenn es ging – auch mehr, hatte aber immer die Uhr im Auge. So wusste er genau, an welchen Stellen wir eine Pause machen mussten, und konnte uns dann auch sagen, wie lange wir die Aussicht mindestens genießen mussten, damit unsere Durchschnittsgeschwindigkeit wieder in den erlaubten Bereich fiel.
An den Aussichtpunkten warteten meist schon etliche Einheimische, die uns dort auf einem Yak sitzend, mit kleinen Ziegen auf der Schulter oder – ganz wichtig – zwischen zwei Tibet-Mastiffs fotografieren wollten. Letztere gelten als teuerste Hunde der Welt und wurden schon für 1,4 Millionen Euro versteigert.
Tibet wies erstaunlich viele unwahrscheinlich flache und breite Täler auf, die teilweise landwirtschaftlich genutzt wurden. Man darf dabei nicht vergessen, dass wir uns hier auf knapp 4000 m Höhe befanden und die Berge am Rand bis 6000 m hoch sind.
24.7. Mittwoch
Auch wenn das Kloster Trashilhünpo der traditionelle Sitz des Penchen Lamas, der bei der Anerkennung des wiedergeborenen Dalai Lamas eine große Rolle spielt, ist, so war es doch für mich noch ein Kloster, noch eine Stupa, nochmal im Uhrzeigersinn natürlich darum herum wandern. Ich kam mir schon fast wie auf einer Wallfahrt vor. Ganz anders dagegen war unser nächstes Fotomotiv: der Qomolangma.[38][38] Der Begriff sagt euch nichts? Keine Angst, gleich wird er klar.
Wenn ich im Vorfeld des Urlaubs erzählte, dass wir auch ins Everest Base Camp fahren,
Solche Gebetsfahnen hängen in Tibet überall herum und sollen die Gebete in den Himmel tragen.
Weiß steht für die Luft, Rot für das Feuer, Grün für das Wasser, Gelb für die Erde und Blau für die Leere, also für manches Gehirn.
Je näher wir dem Everest Base Camp und damit der Grenze nach Nepal kamen, desto häufiger und genauer wurden wir kontrolliert. Die letzten Kilometer mussten wir wegen der Enge der Straßen in einen Bus umsteigen, der uns zu unserem Ziel brachte. Dabei wurden wir mit einem Video berieselt, das sehr nach Propaganda aussah.
Immerhin zeigte sich der Mount Everest doch noch in Teilen: Am Morgen war der untere Teil zu sehen, als wir etwas weiter weg waren, sackten die Wolken nach unten und wir bekamen einen Blick auf den Gipfel.
25.7. Donnerstag
Im Camp gab es zwar kein fließendes Wasser, aber dafür bekamen wir ein Luxuszimmer mit drei Betten, die jeweils eine Heizdecke hatten. Trotzdem war die Nacht auf 5200 m Höhe so schlecht gewesen wie erwartet. Ob des geringen Sauerstoffs war mein Herz teilweise stark am Pumpen gewesen und ich hatte sogar überlegt, eine der drei Sauerstoffflaschen zu benutzen, die uns zur Sicherheit mitgegeben worden waren. Allerdings hatten wir über die vielen Touristen, die mit den Flaschen herumliefen und sich anhörten, als würde Darth Vader hinter einem stehen, gelästert.[42][42] Ich glaube, das ist auch Pflicht, oder?
Die Weiterfahrt zur nepalesischen Grenze verlief ereignislos und die Landschaft bot nicht viel Neues. Wir nutzten die Autofahrt, um unser Schlafdefizit zu verringern. Sigrid sorgte immerhin für Abwechslung,
Die LKW-Fahrer warteten schon lange geduldig auf die Öffnung der Grenze.
26.7. (Freitag)
Die 2800 m Höhe[43][43] Das ist fast so hoch wie der höchste Punkt Deutschlands., auf denen wir übernachtet hatten, erschienen uns nun fast wie eine Tiefebene zu sein, sodass wir endlich mal wieder voller Sauerstoff entspannt und sehr gut schliefen, was unserer Gesundheit zuträglich war. Wir erreichten die Grenze gegen 9.30 Uhr, sodass wir fast die ersten waren, als sie zum 10.00 Uhr öffnete.
Auf der chinesischen Seite empfing uns ein monumentaler Protz-Bau mit elektronischer Gepäckdurchleuchtung, sowie Pass- und Visakontrolle, auf der nepalesischen Seite nicht.
Auf der chinesischen Seite der Grenze stand ein überdimensionales Bauwerk, auf der nepalesischen Seite dagegen nur zwei Wellblech-Hütten.
Wir stiegen in unser „neues“ Auto[45][45] Unser Guide und unser Fahrer mussten in Tibet bleiben. und fuhren circa einen Kilometer weiter, wo wir unsere Visa bekamen. Wiederum 500 m später kam der nächste Checkpunkt, bei dem es so schien, als wüsste der Kontrolleur nicht so richtig, was er tun sollte. Er war zufrieden, nachdem wir ihm erzählt hatten, dass wir aus Deutschland seien. Es folgten dann noch ein paar weitere Kontrollen, bei denen der Fahrer meist nur kurz ein wenig plauderte, bevor wir weiter durften. Zweimal mussten wir eine zufällige Tasche öffnen,[46][46] Beide Male war es Sigrids Rucksack. einmal mussten wir unsere Koffer wieder per Hand durchleuchten lassen. Mein Kamerarucksack wurde durchgängig ignoriert.
Von Tibet nach Nepal muss man die Uhr nicht nur 2,25 Std. zurückstellen[47][47] Es liegt in einer sonderbaren Zeitzone., sondern Jahrzehnte. Die asphaltierte Straße wich einer matschigen Buckelpiste voller Schlaglöcher,
Vom Friendship Highway war in Nepal keine Spur mehr. Kurz vor uns hatte ein Erdrutsch die Straße blockiert. Wir warteten wie alle anderen geduldig, während geprüft wurde, ob die Erde ohne Gefahr weggeschoben werden könne. Dass zwischendurch durchaus mal kopfgroße Brocken auf die Straße fielen, war kein Ausschusskriterium.
Die Hütten an den Seiten der Fahrbahn wirkten sehr ärmlich und Menschen wuschen ihre Kleidung an der Straße oder im Fluss. Auch wenn ich die Besetzung Tibets durch China nicht befürworte, so war dies der Moment, da ich auch die Vorteile der chinesischen Besatzung sah. Bei ansonsten relativ ähnlichen Ausgangsbedingungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts war der Lebensstandard in beiden Staaten deutlich verschieden.
27.7. (Samstag)
Nepal erinnerte mich ausgesprochen an Indien: chaotisch, laut und schmutzig. Dazu kam der herrliche wunderschöne indische Akzent der Bewohner, wenn sie Englisch sprachen. Es klang so, als ob Howard seinen Freund Raj in The Big Bang Theory imitiert oder Kaya Yanar sein alter Ego Ranjid etwas sagen lässt.
Zuerst pilgerten wir gemächlich zum Swayambhunath-Tempelkomplex, dem sogenannten Affentempel, der vor allem – wie der Name schon sagt – von Hunden und Tauben bevölkert war.[49][49] Okay, Affen waren auch da.
Der Swayambhunath-Tempelkomplex gilt mit bis zu 2500 Jahren als eine der ältesten buddhistischen Tempelanlagen der Welt.
Dann trudelten wir weiter zum Durbar Square und genossen das Treiben rings umher. Das Tal von Kathmandu beherbergt in einem Umkreis von 20 Kilometern sieben Weltkulturdenkmäler der UNESCO. Leider wurden sie 2015 von einem großen Erdbeben stark beschädigt oder sogar zerstört. Der Durbar Square ist eines davon. Auch ihm sieht man die Katastrophe noch deutlich an. Überall wird gebaut, sind Tempel abgestützt oder nur noch als Ruine erhalten. Daher war er nur teilweise sehenswert. Vielleicht hätten wir hier aber auch einfach mehr Informationen zu den einzelnen Gebäuden benötigt.
Epilog
Insgesamt war es wieder eine spannende Reise voller wertvoller Eindrücke, die ich nicht mehr missen möchte. China hat mich mit seiner Überwachungstechnik und den daraus resultierenden Konsequenzen etwas erschüttert, dafür hat der Teil in Tibet mich positiv überrascht. Lediglich das Wetter hätte gerne besser sein dürfen, aber das kann man sich ja leider nicht aussuchen.[50][50] Vielleicht ist das auch besser so.