Organisation auf Chinesisch
Chaos im Land des Lächelns
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Prolog
Bereits neun Jahre zuvor war ich mit dem Schüleraustausch der Ricarda-Huch-Schule in China gewesen, jetzt wollte ich zusammen mit meiner Kollegin Isabella und zwölf Schülerinnen und Schülern[1][1] Weitere Kollegen und Schüler anderer Schulen in und um Hannover waren mit dabei, sodass wir insgesamt auf ca. 80 deutsche Touristen kamen. nachsehen, was sich alles verändert hatte. Eines war zumindest gleich geblieben:
Die Farbe bedeutet Glück, der große Stern symbolisiert die Partei, die kleinen Sterne stehen für Militär, Industrie, Lehrer und Bauern.
Bereits im Vorfeld war klar, dass in China einige Dienste wie Google oder WhatsApp nicht funktionieren würden. Unsere Schüler waren zunächst sehr erstaunt darüber, dass solche großen Konzerne dies technisch nicht auf die Reihe brächten, sahen aber schnell ein, dass es eben manchmal doch Vorteile hat, in einer Demokratie zu leben. Ich hatte deswegen vor der Abfahrt ein Virtual Private Network eingerichtet. Dabei bauten der Computer bzw. das Smartphone eine verschlüsselte Verbindung zu meinem Modem zu Hause auf, um dann von dort aus ins freie Internet zu gelangen. Dies machte die Verbindung zwar nicht gerade schneller, verhinderte aber die Zensur durch die chinesischen Behörden. Nicht sicher war allerdings im Vorfeld, ob solche selbst erstellten VPNs nicht gänzlich blockiert würden.
4. Oktober (Mittwoch)
Den vorangegangenen Feiertag hatten wir uns auf dem Flughafen von Hannover getroffen und das Flugzeug nach Amsterdam relativ frohgemut und mit nur wenigen Tränen in den Augen bestiegen. In den Niederlanden wechselten wir das Pferd und erreichten Peking schließlich am frühen Morgen des 4. Oktobers.
Die fehlende oder zumindest sehr kurze Nacht steckte allen in den Gliedern, aber es half nichts: Das Programm begann, nachdem wir uns endlich aus dem Flughafen herausgeschält hatten, direkt mit dem großen Olympiastadion von 2008, das aufgrund seines Aussehens Vogelnest genannt wird.
Im Nationalstadion von Peking (Vogelnest) wurden 2008 die Olympischen Sommerspiele eröffnet. Es fasst 80.000 Zuschauer.
Anschließend fuhren wir zum Hotel, wo wir mit ein wenig Chaos unser Gepäck in der Lobby abstellten. Die Schüler ächzten vor allem unter dem Flüssigkeitsmangel. Da wir in Bezug auf das Umtauschen von Bargeld mehrfach vertröstet wurden, konnten sie sich noch kein Wasser kaufen, und in der trockenen Luft des Flugzeugs hatten die meisten zu wenig getrunken.[3][3] Außerdem war das auch schon wieder mehrere Stunden her.
Glücklicherweise wurde das Mittagessen auf ein – für ein Seniorenheim angemessenes – Kurz-vor-Zwölf gelegt, sodass wir alle auch ohne Bargeld etwas zu uns nehmen konnten. Anstelle des Mittagsschläfchens besuchten wir den Himmelstempel, wo wir gleich die ersten zwei unserer Schüler verloren.[4][4] Das entsprach fast 20 %, was für den ersten Tag einer Schulreise ungewöhnlich viel ist. Nach einigem Suchen stellte sich heraus, dass sich die beiden nach anfänglicher Verwirrung zum Bus durchgeschlagen hatten, was eine sinnvolle Lösungsstrategie war. Natürlich waren sie nicht schuld daran, uns verloren zu haben,[5][5] Wann war ein Schüler schon mal jemals an etwas schuld? aber immerhin blieben sie den Rest der Tour ganz brav und folgsam besonders dicht in unserer Nähe.
Die Besichtigungstouren waren informativ und überzeugten auch die Schüler, die trotz Müdigkeit und Erschöpfung nicht zu sehr in ihrer Aufnahmefähigkeit behindert wurden.
So freuten sich die Chinesen, dass wir endlich da waren.
Ich nutzte die freie Stunde dagegen, um meine Technik ein wenig auszuloten und festzustellen, dass das VPN tatsächlich funktionierte, was sich insbesondere daran zeigte, dass WhatsApp mit VPN (langsam) lief, ohne VPN dagegen gar keine Verbindung zustande brachte. Ein wenig Sorgen machte ich mir über die Sitten und Gebräuche in unserem Hotel, nachdem ich in den Service Informationen „If you want to continue to live, please inform the front desk in advance and pay the deposit.“[6][6] Zu Deutsch: „Wenn Sie weiterleben möchten, dann informieren Sie bitte die Rezeption im Voraus und bezahlen Sie die Kaution.“ gelesen hatte. Meine Kollegin störte es dagegen viel mehr, dass es auch verboten war, Hühner mit aufs Zimmer zu nehmen.
5. Oktober (Donnerstag)
Nach dem typisch chinesischen Frühstück, bei dem einzig die Wassermelone extrem schnell alle wurde, ging es zum Tian’anmen-Platz. Halt, nein, noch nicht ganz. Zunächst mussten wir noch fast eine halbe Stunde auf die beiden Schüler warten, die wir auch schon am Vortag lange suchen durften. Diesmal fand ich sie in ihrem Hotelzimmer. Da schien sich ein Muster abzuzeichnen.
Auf dem Platz des Himmlischen Friedens erfuhren wir ein wenig über den Platz selber, das „Maosoleum“[7][7] Das Mausoleum von Mao. und die Volksrepublik China, die Mao hier 1949 proklamierte. Keinerlei Hinweise gab es allerdings zum Massaker von 1989, als ein Volksaufstand blutig niedergeschlagen wurde. Als ich unseren Fremdenführer etwas abseits danach fragte, meinte er, dass er im Zweiergespräch gerne mit mir darüber reden würde,
Ja, die fotografierten alle uns. Bei meinem Aussehen kann ich das auch gut verstehen.
Weiter ging es zur daneben liegenden Verbotenen Stadt. Bei dem wolkenfreien Himmel, der so smogfrei[8][8] Bezüglich des Smogs hatten wir einiges Glück, da dessen Werte in den drei Wochen, in denen wir vor Ort waren, so niedrig waren, dass sie nie eine Rolle spielten. und blau wie selten leuchtete, boten sich die Gebäude zum Erstellen schöner Fotos an, aber trotzdem gab es etwas, das noch häufiger abgelichtet wurde: Wir.[9][9] Okay, das ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber gefühlt war es so. Es war schon schwierig, in Ruhe ein gemeinsames Gruppenbild zu machen, ohne dass eine Mutter ihr Kleinkind vor die deutschen Touristen schob, um es dann vor den Fremdlingen zu fotografieren. Dies ging die ganzen drei Wochen so.[10][10] Manchmal war es durchaus nachvollziehbar, dass die deutschen Schüler beliebte Fotomotive waren. Was soll man schon erwarten, wenn ein Mädchen mit blonden Bauernzöpfen auf der chinesischen Mauer sitzt und Ukulele spielt? Mal wurden wir offen um Bilder gebeten, viele andere knipsten verstohlen aus allen Lebenslagen. Aber ich habe mich gewehrt: Ich habe zurückgeschossen – und das dann ganz direkt. Das wurde immer mit Humor genommen.
Leider waren aufgrund der goldenen Woche (chinesische Nationalfeiertage) wahnsinnig viele Touristen unterwegs, sodass es manchmal schwierig war,
Hätte ich in diesem Cat-Theme-Restaurant tatsächlich Katzen bestellt, dann wären sie vermutlich sauer geworden, vielleicht aber auch süß-sauer.
Am späten Nachmittag brauchten die Schüler Erholung und so suchten Isabella und ich ein „Hutong“ auf, ein Viertel mit kleinen verwinkelten Gassen und traditioneller Bebauung, das glücklicherweise noch nicht abgerissen worden war, um Platz für neue Hochhäuser zu schaffen. Wir genossen die schönen Ausblicke und die Ruhe vor den Kindern.
Abends gingen wir alle gemeinsam Peking-Ente essen. Es war lecker, aber nach wie vor gilt, dass sie mir in Deutschland abwechslungsreicher und leckerer zubereitet scheint.[11][11] Das habe ich auch schon vor neun Jahren berichtet. Vielleicht ist sie dort aber auch nur mehr an meinen europäischen Gaumen angepasst. Wir hatten in unserer Gruppe auch eine Vegetarierin dabei, deren Essenswünsche leider in den zweieinhalb Wochen, die wir unterwegs waren, nur eingeschränkt berücksichtigt wurden. Bei jeder Mahlzeit standen viele Schüsseln auf dem Tisch, aus denen man sich etwas nehmen konnte, aber so richtig ohne Fleisch waren nur wenige dabei. Sogar der Reis war teilweise mit Schinkenwürfeln „verfeinert“. Glücklicherweise war die Schülerin allerdings schon im Vorfeld äußerst pragmatisch an die Sache herangegangen und hatte sich gesagt, dass es wohl sowieso nichts mit ihrer Askese werden würde, und probierte alles fleißig aus. Vegetarierinnen von anderen Schulen, die mit von der Partie waren, sahen das enger und aßen in der Gemeinschaft eher wenig. Vermutlich befriedigten sie ihre Wünsche dann im nächsten Supermarkt.
Abends erreichte uns per WeChat[12][12] Das ist die chinesische Variante von WhatsApp. die Nachricht, dass ein paar unserer Schüler noch ausgehen würden.[13][13] Der aufmerksame Leser hat sicher schon bemerkt, dass diese Schüler noch nicht mal eine höfliche Frage formuliert, sondern eine reine Information abgegeben hatten.
Trotz ihrer Länge ist die große Mauer nicht mit bloßem Auge aus dem Weltraum oder gar vom Mond aus zu erkennen. Dies sind nur Fake News, die bereits im 18. Jahrhundert, also lange bevor man es überprüfen konnte, in die Welt gesetzt wurden.
6. Oktober (Freitag)
Warum lächeln Chinesen immer, wenn sie Deutsche sehen? Weil sie ihre Mauer noch haben.
Schon um kurz nach halb acht brachen wir auf, um vor dem großen Ansturm auf der chinesischen Mauer zu sein – und es klappte tatsächlich.[15][15] Jedenfalls war es so leer, wie es sein kann, wenn man mit 80 Leuten gleichzeitig irgendwo aufschlägt. Wir hatten überlegt, die beiden dreifachen Missetäter ab jetzt quasi händchenhaltend zu beaufsichtigen, sahen in unserer großen Weisheit und unendlichen Güte[16][16] Ja, so bin ich. dann aber doch davon ab.[17][17] Vielleicht hatten wir selbst dazu auch einfach keine Lust.
Das in Bezug auf die Menge des verwendeten Baumaterials größte Bauwerk der Erde war vermutlich einmal gut 21.000 km lang. Im siebten Jahrhundert vor Christus wurde mit dem Bau begonnen und dann wurde das Bauwerk 2000 Jahre lang erweitert und umgebaut. Es bestand allerdings schon damals aus verschiedenen Teilstücken, sodass es nie ein langes zusammenhängendes Gebilde war. Heute sind viele Teile verfallen oder zerstört, aber der Abschnitt nördlich von Peking wird sorgfältig gehegt und gepflegt und ist gut erhalten. Vor neun Jahren war es bei unserer Besichtigung sehr neblig gewesen, heute lag nur ein schwacher Dunstschleier über den Hügeln, sodass wir die Mauer beherzt bestiegen und uns an der Aussicht erfreuten.
„Wer nicht die große Mauer gesehen hat, ist kein Held.“, so lautet ein chinesisches Sprichwort in freier Übersetzung. Also verkündete unser Guide, dass wir nun Helden seien. Das ist natürlich eine falsche Schlussfolgerung. Richtig ist, dass wir vorher auf gar keinen Fall Helden waren.[18][18] Mit Ausnahme von mir natürlich, aber das sollte allgemein bekannt sein. Unser Führer war aber auch sonst nicht so sattelfest, meinte er doch, dass die große Mauer wie auch die Terra Cotta Armee zu den sieben Weltwundern gehören würde.
Auf dem Rückweg Richtung Peking, der von einem Besuch in einer Emaille-Fabrik unterbrochen wurde, sahen wir dann auch die ganzen Fahrzeugkolonnen, die die Mauer ansteuerten, im Stau stehen. Gut, dass wir das richtig gemacht hatten.
„Für Elise“ von Beethoven ist neben dem Flohwalzer und dem Entertainer vermutlich das Musikstück, das am häufigsten von Anfängern oder Aufschneidern auf dem Klavier gehämmert wird. Meist hört man dann die ersten acht Takte in der Endlosschleife, weil einfach nicht mehr davon bekannt ist. Der Fahrstuhl in unserem Hotel übertraf das deutlich: Er kam über die ersten drei Takte nicht hinaus und begann dann von Vorne. Das motiviert doch, stattdessen öfter mal die Treppe zu nehmen.
Nach einer Rast im Hotel ging es in den Akrobatenzirkus. Die Darbietung war kurzweilig und hat auch den Schülern gefallen. Schade war lediglich, dass das mittlere Drittel des Saals nahezu komplett frei blieb.
Liegt es am Kommunismus, der zu einem großen Engpass bei Fahrrädern führt, sodass sich viele Leute eines teilen müssen, oder ist dies die gelbe Gefahr, die uns alle überrollen wird?
7. Oktober (Samstag)
Mit dem ICE fuhren wir mit 300 km/h von Peking nach Shanghai, das bis zum ersten Opiumkrieg 1812 lediglich ein Fischerdorf war. Heutzutage gibt es in der „Perle des Orients“ oder auch „Paris des Ostens“ angeblich mehr Einkaufsmöglichkeiten als sonst irgendwo auf dem chinesischen Festland.
Nachdem wir die Schüler an den einzelnen Schulen abgesetzt hatten und auch sicher waren, dass jeder von seinen zugehörigen Gasteltern abgeholt worden war, erfrischten wir uns kurz im Hotel und ließen uns dann von Aihua zu einem Feuertopf mit Lamm einladen. Passend fand ich, dass zwischendurch auf dem Fernseher hinter mir ganz niedliche Lämmer zu sehen waren. Anschließend genehmigten wir uns noch eine Fußmassage. Ein Teil der anderen Lehrer setzte sich dagegen in die Party-Szene ab und tingelte teilweise bis kurz vorm Morgengrauen durch verschiedene Clubs. Schon in Shanghai hatten Isabella und ich dankend abgelehnt.[19][19] Merkt man, dass wir die Oldies unter den Lehrern waren?
8. Oktober (Sonntag)
Isabella und ich hatten uns einen Ausflug nach Sheshan aus dem Reiseführer ausgesucht. Da niemand anderes mitfahren wollte, machten wir uns alleine auf den Weg, obwohl Aihua deutliche Bedenken hatte, dass wir unser Ziel erreichen würden. Die Anfahrt verlief allerdings – wie von uns erwartet – problemlos.
Rund 40 km westlich von unserem Hotel enterten wir den Sheshan National Forest Park und folgten zunächst der „Via Dolorosa“ den Berg hinauf zur Sheshan Basilika,
Die Pagode der Tugendhaftigkeit soll bereits 1000 Jahre alt sein.
Die Weiterreise gestaltete sich schwierig. Wir konnten zwar anhand einer entsprechenden Übersetzungsapp herausfinden, dass wir zunächst den Bus 33 und anschließend das Taxi nehmen sollten, wussten aber nicht, an welcher Stelle wir wieder aussteigen mussten. Kleiner wurde das Problem auch nicht, als der Bus aufgrund einer Vollsperrung seine angestammte Route verließ und einen anderen Weg nahm. Wir fanden trotzdem einen einigermaßen sinnvollen Absprung und trotteten dann zu Fuß den Rest des Weges zum größten Botanischen Garten Chinas. Glücklicherweise hatten wir Kopien von unserem Pass dabei, ohne die wir nicht hineingekommen wären. Die zur Weltausstellung 2010 eröffnete Attraktion überzeugte uns
Der Botanische Garten erfreute uns mit seiner Farbenpracht.
Kaum waren wir um halb sieben wieder ins Hotel zurückgekommen, da brachen die anderen, deren Tageshöhepunkt das Hotelzimmer war, bereits zum Abendessen auf, dem wir uns anschlossen. Später drehten wir noch ein paar Runden durch die ans Motel angrenzende Viertel.
Stichwort Hotel: Ich habe mich ja schon des Öfteren in den vergangenen Reiseberichten über die Verschwendung von Handtüchern beschwert und bemerkt, dass es kaum einen Unterschied zu machen scheint, ob die Handtücher zerknüllt in der Ecke liegen oder fein-säuberlich am Haken hängen. Daher hatte ich bereits in Peking einen anderen Lösungsansatz ausprobiert[22][22] Physiker machen halt Experimente.: Ich hängte das „Bitte nicht stören“-Schild an die Tür und fand – wie es nicht anders zu erwarten war – bei meiner Rückkehr ein nicht-gemachtes Bett vor.[23][23] Das empfand ich nicht als schlimm, schließlich beziehe ich zu Hause mein Bett auch nicht täglich neu. Leider stellte sich dann beim Besuch des Bades heraus, dass die Handtücher trotzdem ausgewechselt worden waren, und auch der Mülleimer war leer. Da wollte ich jemandem Arbeit ersparen, aber dann hat es doch nur halb geklappt. Einen Tag später probierte ich es erneut und war damit erfolgreich. Leider konnte ich aufgrund fehlender weiterer Übernachtungen in Peking das Experiment nicht fortsetzen und begann in Shanghai erneut damit. Nach drei Tagen brach ich den Versuch erfolglos ab, da mein Zimmer jedes Mal komplett aufgeräumt und gesäubert wurde – so man denn von „sauber“ sprechen konnte.[24][24] Die Asseln (oder etwas Ähnliches) schienen jedenfalls nicht schmutzig zu sein.
9. Oktober (Montag)
Isabella und ich kamen pünktlich zur vereinbarten Zeit an der Schule an, wo dann aber keiner so recht wusste, was er mit uns anfangen sollte. Schließlich fand man heraus, dass wir zu einem anderen Teil der Schule mussten,
In der Nanjing Road ließen sich vier unserer Jungs von einem Chinesen ansprechen und zu freiem WLAN und Kaffee in einem etwas abseits gelegenen Café „einladen“. Das böse Erwachen kam, als sie ihr Getränk zu einem horrenden Preis bezahlen mussten. Es hätte auch schlimmer kommen können.
Schließlich wurden wir[26][26] „Wir“ waren dabei knapp 40 Leute, da zu unseren zwölf Schülern noch weitere Schüler von anderen deutschen Schulen, zwei Lehrer und zwei Betreuer der Organisation kamen. So trafen wir uns hier jeden Tag und nahmen gemeinsam am Unterricht teil. zum dritten Gelände der Schule begleitet, das etwas weiter abseits lag. Als wir endlich dort ankamen, war es schon lange zu spät für den Fahnenappell und den Frühsport. Dem darauffolgenden Rundgang durch die Schule fehlte ein wenig die Information zu dem, was wir sahen. Dafür sprach der Lehrer nicht nur fließend Englisch und Französisch, was meine Kollegin besonders freute, sondern auch verständliches Deutsch.
Die nächste Stunde gab es Sport. Die Schüler der Ricarda wussten das im Vorfeld und waren auch einigermaßen präpariert, die anderen dagegen nicht und erhielten aufgrund ihres Murrens den Hinweis, dass sie nicht teilnehmen müssten. Das senkte natürlich auch bei unseren Schülern die Moral, aber trotzdem waren doch die meisten dabei. Insgesamt hat es mich aber geärgert, dass da 30 deutsche Schüler untätig im Schatten auf dem Boden saßen und der Aufforderung mitzumachen nicht nachkamen.[27][27] Das gab auch ein schlechtes Bild für unsere Schulen ab.
Das Mittagessen schreckte einige Schüler der anderen Schulen so sehr ab, dass sie es erst gar nicht probierten. Wären es meine Schüler gewesen, dann hätte ich denen etwas gehustet,[28][28] Meine Kollegin, die ähnlich empfand, fragte mich, ob wir langsam alt und spießig werden. Widerlegen konnte ich diese Vermutung nicht. aber die Gruppe der RHS benahm sich besser.[29][29] Natürlich! Bei solchen Lehrern ist das auch nicht anders zu erwarten, oder? Unsere Zwölf fand ich in den meisten Fällen – insbesondere was das Essen anging – herrlich unproblematisch und offen für alles Neue.
Nachmittags besuchten wir die Einkaufsmeile mit Fußgängerzone und den Bund, von dem aus man einen sehr schönen Blick über den Huangpu River auf die Wolkenkratzer von Pudong hat. Das ist die Aussicht schlechthin in Shanghai. Lediglich abends ist es noch schöner (und kitschiger).
Neun Jahre zuvor sah die Skyline zwar schon so ähnlich aus, aber in der Zeit sind auch einige neue Hochhäuser, unter anderem das zweithöchste Gebäude der Welt, hinzu gekommen.
Dieter Nuhr schrieb mal sinngemäß folgendes. „Da wollte ich mich mit meinem Freund in der Fußgängerzone neben H&M treffen, gegenüber von McDonalds, wo an der Ecke Starbucks und Zara sind, in der Nähe vom Apple-Store, bei dem riesigen Pizza Hut. Ich wartete und wartete, bis mir auffiel: Ich war gar nicht in Bielefeld, sondern noch in Düsseldorf.“ So ähnlich sah es auch in Shanghai aus, wenn auch nicht ganz so extrem. Alle diese Marken waren auch dort fleißig vertreten, aber glücklicherweise waren auch chinesische Firmen darunter, sodass man in der Fußgängerzone nicht nur westliche Schriftzeichen sah.
Zurück an der Schule sollten unsere Schützlinge von ihren Gastgebern abgeholt werden, aber etliche saßen auch noch eine Stunde später bei uns, ohne dass ihr Austauschschüler erschienen war.
Der Feuertopf ist die chinesische Variante des Fondues. Rein kommt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist – und manchmal auch das.
Die Abende waren wir Lehrer oft gemeinsam in wechselnden Gruppen unterwegs. Mal ging es einfach nur zum gemütlichen Essen (am liebsten Feuertopf), mal traf man sich in der hoch gelegenen Captains Bar, um die nächtliche Aussicht über die Stadt zu genießen. Dazwischen ging es auch gerne zur (Fuß-) Massage, um den Stress des Tages ein wenig zu vergessen, denn viel gelaufen sind wir eigentlich an jedem Tag.
10. Oktober (Dienstag)
Zunächst hatten wir Papercut, schnitzten also einfache Muster ins gefaltete Papier. Danach gab es Unterricht in der chinesischen Sprache, wobei trotz Bemühungen meinerseits das meiste sofort wieder aus dem Gedächtnis verschwand. Am Anfang war es besonders schwer, da bereits nach zwei Wiederholungen vorausgesetzt wurde, dass man ganze Sätze komplett im Gehirn hatte, was bei uns nicht klappte. Teilweise waren die Schüler sehr laut, was gegenüber der bemühten chinesischen Lehrkraft nicht angemessen war. Glücklicherweise sprach Isabella ein deutliches Machtwort, sodass ich das nicht wieder machen musste.
Ich hatte im Gespräch mit den chinesischen Lehrern, die wir an der Schule trafen, darauf hingewiesen, dass ich gerne ganz normalen Mathematikunterricht anschauen würde. Dabei geriet ich zufällig an jemanden aus der Schulleitung, der das sofort für Isabella und mich ermöglichte. Im Vorfeld wurden tiefgestapelt und darauf hingewiesen, dass die Kollegin sehr jung sei und es daher möglich sei, dass sie Fehler machen würde. Außerdem wurde erläutert, dass die Klasse nicht sehr gut sei. Die restlichen Schüler der Schule seien deutlich leistungsstärker.
Im Klassenraum befanden sich lediglich 20 Schüler, dafür aber außer uns beiden noch 16 vorwiegend nicht-asiatische Erwachsene, die unterrichtende Lehrerin selbst nicht mitgerechnet. Wir sind nicht ganz dahinter gestiegen, ob es sich um eine Prüfungsstunde handelte oder sie in einem anderen Rahmen stattfand. Da die Stunde auf Chinesisch ablief, konnten wir natürlich kein Wort verstehen, aber es war schnell klar, dass es um die Kongruenz von Dreiecken ging. Die Lehrerin stellte Fragen und rief die Schüler anschließend auf, ohne auf eine Meldung zu warten, und die Schüler erhoben sich und antworteten meistens sogar richtig, allerdings oft recht leise.
Während meiner Schüler anderweitig beschäftigt waren, nutzte ich die Zeit für mein eigenes Vergnügen. Ist schon aufgefallen, dass Fotografieren ein Hobby von mir ist?
Nach dem Mittagessen gingen wir zum Shanghai Urban Planning Exhibition Center, in dem man anhand von großen Modellbauten einen guten Überblick über das aktuelle und zukünftige Shanghai bekommen konnte. Da die Schüler danach bereits relativ erledigt schienen, stellten wir sie vor die Wahl, ob sie lieber ein weiteres Museum besuchen oder in der Stadt shoppen wollten. Die Entscheidung fiel einstimmig aus.[31][31] Wer den 50-50-Joker nimmt, der erfährt, dass das Museum nicht den Zuschlag bekam. Zu 16 Uhr brachte meine Kollegin die Schüler zur Schule zurück, während ich die drei Schülerinnen mitnahm, die im Internat übernachteten. Als Ausgleich für den deutlich geringeren Familienanschluss sorgte Aihua für ein zusätzliches Abendprogramm. Ich hatte zwar ein wenig Sorge, ob die drei den verabredeten Treffpunkt finden würden, aber dies erwies sich als unbegründet. Lediglich Aihua, die hier quasi zu Hause war, musste etwas suchen und kam verspätet, was mich aber nicht überraschte.
Deutschland ist noch Lichtjahre von der Elektromobilität entfernt, aber in China kommt sie langsam in Gang. Man sah schon erstaunlich viele Motorräder und Mopeds,
Manchmal schien es, als gäbe es in chinesischen Städten mehr herumstehende Leihfahrräder als Menschen. Ich bin gespannt, ob sich dieses Konzept auch in Deutschland durchsetzen wird.
Die Sauberkeit in meinem Hotelzimmer war so mittel. Schon beim Bezug des Zimmers in Shanghai sprang mir der Deckel einer Zahnpastatube ins Auge, die im Badezimmer auf dem Boden lag. In den folgenden Tagen verändert sich ihr Ort eigentlich nicht, bis sie plötzlich eines Tages einen großen Schritt Richtung Tür geschafft hatte. Einen weiteren Tag später war sie dann im Flur angekommen.
Tongli ist eine der zahlreichen Wasserstädte, die im Delta des Jangtse-Flusses liegen. Sie ist von vielen Kanälen durchzogen, an denen man ganz entspannt entlang spazieren kann, um die teilweise aus dem 14. Jahrhundert stammenden Häuser und Paläste zu bewundern und zu besichtigen.
11. Oktober (Mittwoch)
Auf dem Weg in die Wasserstadt Tongli trällerte uns die Führerin ein chinesisches Lied übers Mikro des Busses vor. Laut ihrer Aussage war es Inhaltlich „What A Wonderful World“ von Louis Armstrong, hätte für mich aber auch eine schöne Version der Wettervorhersage sein können.
Obwohl das Wasser auch kräftig von oben kam, konnte man viel sehen und schöne Fotos machen. Am Anfang hatten wir eine Führung, die allerdings darunter litt, dass wir halt mit knapp 50 Leuten der Führerin gefolgt sind. In den engen Häusern war es schwierig, dicht genug bei ihr zu stehen, um etwas von ihren Erläuterungen mitzukommen. Da wäre eine weitere Teilung der Gruppe sinnvoll gewesen.
Häufig, wenn wir uns irgendwo in der Großgruppe getroffen hatten, standen wir zunächst gelangweilt am vereinbarten Treffpunkt herum, ohne dass etwas passierte. Wenn ich dann fragte, worauf wir warteten, hatte eigentlich keiner der Organisatoren eine Antwort parat. Manchmal hieß es dann, man wisse nicht, ob alle da seien oder noch jemand fehle.
Ich vermute, man hätte diese Kabel übersichtlicher verlegen können.
China ist ein sehr sicheres Land, was sich auch an den Kameras zeigt, die an allen öffentlichen Plätzen in Massen herumhängen. Aber auch die Schule war sehr besorgt um unsere Schützlinge. Gestern wollte ein Schüler nach Schulschluss die Schule verlassen, um seinen Austauschschüler zu treffen, der 100 m entfernt wartete. Er kam sofort wieder zu meiner Kollegin zurück, weil die Wachleute ihm nicht erlaubt hatten, das Schulgelände ohne Begleitung seines Austauschpartners zu verlassen. Meine Kollegin ging daraufhin mit zum Tor und sprach mithilfe einer Englischlehrerin zu den Wachleuten, die trotzdem noch deutliche Bedenken hatten. Schließlich schauten sie alle demonstrativ in eine andere Richtung, während die hilfsbereite chinesische Lehrerin unseren Schüler schnell durch das Tor winkte.
12. Oktober (Donnerstag)
Jeden Tag gab es von 7.40 bis 8.00 Uhr Frühsport und gemeinsames Antreten auf dem Schulhof. Ab dem zweiten Tag waren auch unsere Schüler dabei, hatten ihren Spaß daran und schlugen sich wacker. Natürlich war ihre Performance nicht so ordentlich wie die der Chinesen, aber die machten das seit Jahren jeden Tag gleich. Da weiß man auch, welche Übung zu welcher Zeit erfolgt. Unser Nachwuchs musste dagegen immer erst schauen, was der Vordermann gerade machte. Heute Morgen war es bedeckt. Die Nachricht, dass der Frühsport wegen schlechtem Wetter nicht stattfinden würde, wurde von unseren Schülern mit ein wenig Spott aufgenommen.
Während meine Kollegin heute Vormittag die Schüler ohne mich betreute, nutzte ich den Tag bis 7.30 Uhr zum Ausschlafen und ging dann ins Shanghai Science And Technology Museum. Ich freute mich, dass ich zumindest die erste Hälfte des Tages ohne Kindergeschrei in Ruhe verbringen konnte, doch da hatte ich die Rechnung ohne die ca. einhundert Schulklassen gemacht, die heute (vermutlich wie an jedem anderen Schultag) einen Ausflug genau dorthin unternahmen. Es war eine Lautstärke und ein Durcheinander, wie ich es sonst nur von Schülerversuchen in Jahrgang Fünf kenne. Auch sonst hat mich das Museum nicht umgehauen. Ich hatte zum Beispiel gehofft, etwas über die chinesische Weltraumfahrt aus lokaler Sicht zu erfahren, aber die Abteilung war auf dem Stand von vor mehr als zehn Jahren stehengeblieben. Das ist in diesem Forschungsbereich eine lange Zeitspanne. Am besten hat mir noch die Ausstellung zu den Spinnen gefallen.[32][32] Da fällt es nicht auf, wenn die Informationen etwas älter sind.
Um 13.30 Uhr waren wir am Jadebuddha-Tempel verabredet, den ich leicht verspätet erreichte, weil ich mich verfahren hatte. So fand ich zunächst niemanden aus der Gruppe. Vor neun Jahren hatten wir alle eine chinesische SIM-Karte bekommen, mit der wir uns prima zum Ortstarif verständigen konnten. Laut Organisation war das aufgrund der Gesetzgebung leider nicht mehr möglich, komischerweise lief die im Internet kurz zuvor gekaufte Karte einer Schülerin problemlos und wir sahen vor Ort auch Automaten, an denen man welche kaufen konnte. So oder so bräuchten wir sie ja auch gar nicht, weil es überall in Shanghai, ja im ganzen Land, freies WLAN geben sollte. Soweit die Theorie. In der Praxis sah es völlig anders aus. Noch nicht einmal in der Schule bekamen wir einen Zugang zum Internet, sondern nur im Hotel. Dies war für die Kommunikation mit unseren Schülern und Aihua und ihrem Team suboptimal und das größte Manko an der Fahrt überhaupt.[33][33] Besonders ärgerlich war, dass wir es im Vorfeld hätten ändern können, wenn wir mehr Informationen gehabt hätten. So wartete ich geduldig und war nicht überrascht, als sich ein paar Minuten später herausstellte, dass ich trotz meiner Verspätung der erste Anwesende war.
Der Jadebuddha-Tempel zählt zu den wichtigsten Tempeln der Stadt, obwohl er nur wenig mehr als 100 Jahre alt ist. Besonders sehenswert sind die dort ausgestellten Buddha-Figuren aus Jade, nach denen er benannt ist.
Der allgegenwärtige Drache besteht aus ganz vielen Tieren: Körper = Schlange, Krallen = Adler, Schuppen = Fisch, Bart = Ziege, Hörner = Stier, Kopf = Schwein.
Anschließend besuchten wir einen Underground-Market, was nicht bedeutet, dass er verboten ist, sondern dass er unterirdisch gewissermaßen in einer U-Bahn-Haltestelle liegt. Obwohl eigentlich keiner der Schüler etwas kaufen wollte, kamen doch fast alle mit einem „Schnäppchen“ wieder heraus, bei dem der Preis auf die Hälfte oder gar ein Drittel gedrückt werden konnte. Schade, dass man hinterher nie weiß, ob da nicht doch noch mehr Preisnachlass drin gewesen wäre.
13. Oktober (Freitag)
Wir hatten normalerweise vormittags gemeinsam Unterricht. „Gemeinsam“ heißt dabei, dass wir ca. 40 deutsche Lehrer und Schüler waren. Mit den chinesischen Austauschpartnern waren unsere Schüler nur abends (nach 17 Uhr) und am Wochenende zusammen, so die Gastgeber dann nicht Hausaufgaben zu tun hatten oder für eine Prüfung lernten.
Heute mussten wir im Fach „Interessante kulturelle Relikte“ Unterschiede zwischen zwei Bildern mit chinesischen Kunstwerken finden, was ziemlich trivial war. In „Psychologisches Spiel“ sollten wir unsere Wünsche und das, was uns am wichtigsten im Leben war, aufschreiben und anschließend gegenüberstellen. Beides war nicht der große Wurf. Schöner war der täglich stattfindende Sportunterricht, bei dem beide Nationen mit und gegeneinander aktiv werden konnten. Das heutige Fußballspiel ging fast brasilianisch aus,[34][34] Ich sage nur: „7 zu 1“. aber die chinesischen Schüler waren auch deutlich jünger als unsere.
Am Nachmittag ging es zum Oriental Pearl Tower. Der 1995 eingeweihte Fernsehturm ist das Wahrzeichen von Shanghai und bietet einen guten Überblick über Pudong, das Viertel, in dem die höchsten Wolkenkratzer der Stadt
Wenn das Glas splittert, dann hat man rund sieben Sekunden Zeit sich zu ärgern, dass man zu viel gefrühstückt hat.
14. Oktober (Samstag)
Heute waren Isabella und ich zu Fuß unterwegs und natürlich wieder alleine, da die anderen Kollegen ausschlafen und sich erholen mussten. Als Erstes schlenderten wir gemütlich und mit vielen Umwegen zum Fuxing Park, während wir die kleinen Gassen, die vielen winzigen Geschäfte und das interessante Treiben um uns herum genossen. Im Park selber war besonders viel los.
Im Fuxing Park wird sehr unterschiedlichen Freizeitaktivitäten nachgegangen.
Nach einem gemütlichen Kaffee bemerkte ich zum Glück noch rechtzeitig, dass ich den Reiseführer, den mir mein Chef ausgeliehen hatte, liegengelassen hatte, sodass wir ihn im Park wieder abholen konnten. Da er auf Deutsch war, hatten sich wohl nicht viele Leute für ihn interessiert. Während wir in einem kleinen Fischrestaurant aßen, konnten wir zusehen, wie Krabben in einem großen Trog eingelegt wurden. Natürlich lebten sie zu diesem Zeitpunkt noch.
Außerdem kamen wir am Haus von Sun Yat-sen, einem chinesischen Revolutionsführer und Staatsmann, der als Gründer des modernen Chinas angesehen werden kann, vorbei. Laut meinem Reisebericht hatte ich dieses bereits vor neun Jahren besucht, konnte mich aber nicht mehr daran erinnern. Es hat anscheinend damals keinen großen Eindruck auf mich hinterlassen.[36][36] Mal schauen, was ich in weiteren neun Jahren noch darüber weiß.
15. Oktober (Sonntag)
Wenn man einen Ausflug mit Lehrern macht, dann ist das nicht so schlimm, wie mit Schülern unterwegs zu sein. ES IST VIEL SCHLIMMER! Die einen kamen zu spät zum morgendlichen Treffpunkt, andere verpassten die Metro und erreichen den Bahnhof dadurch 15 Minuten später. Die einen huschten heimlich noch schnell zur Toilette, während die nächsten warteten, bis die ersten fast wieder zurück waren, um dann einen Kaffeestand zu suchen.
Die Feilaifeng-Felsskulpturen beim buddhistischen Tempel von Hangzhou sind sehr sehenswert.
Schließlich bestiegen wir die beiden Taxis, die schon ungeduldig warteten, und besuchten das Lingyin-Kloster[38][38] Zu deutsch: Kloster der Seelenzuflucht., das vor allem durch seine wunderschöne Lage bestach. Es wurde bereits im vierten Jahrhundert nach Christus gegründet und erlebte im zehnten Jahrhundert mit 3000 Mönchen und 270 Hallen seine Blütezeit.[39][39] Damals kamen also elf Mönche auf eine Halle. Wären kleinere Zimmer nicht praktischer gewesen? Dank eines Brandes sind die Gebäude aber alle relativ jung. Trotzdem gab es sehr viel zu sehen, sodass die Zeit knapp wurde und wir uns sputen mussten, wieder rechtzeitig bei den Autos zu sein, wo wir dann eine gute halbe Stunde lang auf die Organisatoren warten mussten.
„Wir hatten doch im Chat geschrieben, dass wir später kommen.“
„Der Chat, den wir dann heute Abend im Hotel lesen können?“
„Und woher sollen wir das wissen?“
„Wir haben es ungefähr 20-mal gesagt!“
Daraufhin folgte noch ein blöder Spruch, aber leider wenig Einsicht.[40][40] Versteht mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen dumme Sprüche, wirklich nicht. Manchmal gibt es allerdings bessere Alternativen. Wir hatten das Gefühl, das Organisationsteam hatte bis zum Ende der Reise noch nicht begriffen, dass wir tagsüber vom Internet ausgeschlossen waren.
Dann ging es weiter zum West-Lake von Hangzhou, der bei gutem Wetter wirklich herrliche Ausblicke eröffnet hätte. Leider war es neblig und regnete den ganzen Tag über, aber trotzdem hat sich der Ausflug mit dem Schiff zu einer Insel hinüber gelohnt.
Im letzten Reisebericht hatte ich mich darüber beschwert, dass meine Schüler dauernd zu Pizza Hut oder zu McDonalds pilgerten. Dieses Mal war das anders. Diesmal waren es vor allem die Kollegen der anderen Schulen, die erst dann richtig aufblühten, wenn sie mindestens zweimal am Tag bei Starbucks oder einer anderen amerikanischen Kette zu Besuch waren.[41][41] Ich glaube, ich war wirklich ein Spielverderber, freute mich aber daran, dass es meiner direkten Kollegin Isabella genauso erging.
16. Oktober (Montag)
In der ersten Stunde sollten wir etwas über chinesische Grammatik lernen, aber das war nicht wirklich ergiebig, wobei der Vergleich zwischen Deutsch und Chinesisch durchaus sehr interessant hätte sein können.
Anschließend besuchten wir das Museum der Highschool, das für eine Schule wirklich sehr beeindruckend war. Aus dem Platz hätten wir bei uns drei Unterrichtsräume gemacht. Als Nächstes stand eine Lego-Stunde auf dem Programm.
Die Anzahl der Figuren (maximal 12) steht für die Wichtigkeit des Gebäudes, in diesem Fall der Tempel in der Verbotenen Stadt in Peking.
Danach bekamen wir Kochunterricht, wobei der Begriff „kochen“ vielleicht ein wenig großspurig anmutet. Aus vorbereiteter Füllung und fertigem Teig mussten Dumplings zusammengebastelt werden. Eine Tätigkeit, die selbst die in der Küche nur mäßig begabten Jungs bravourös meisterten – und gut geschmeckt haben sie auch noch.[42][42] Nein, nicht die Jungs! Vor dem Essen gab es noch ein Vermehrungswunder wie zu Christus Zeiten:
Ich kann auch richtig kitschige Bilder fotografieren.
Anschließend sollte es ursprünglich zum Yuyuan Garden gehen, aber das hatte sich mal wieder überraschend geändert. Nun stand der Fake Market auf dem Programm, den wir schon ein paar Tage zuvor besucht hatten. Daher beschloss ich zum Leidwesen meiner Schüler, dass wir stattdessen ins Shanghai Museum gehen würden. Ein Schüler[43][43] Ihr kennt ihn schon. wehrte sich so stark dagegen, dass Aussprüche wie „Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht zum Austausch mitgekommen! Da steht gar nicht auf dem Programm, das dürfen sie nicht! Ich komme nicht mit!“ zu den harmlosesten gehörten. Letzteres war natürlich nicht möglich, da ich für ihn verantwortlich war. Beim Museum gab es dann aber schon ein bisschen Schadenfreude aller Schüler, weil die Ausstellung leider an diesem Montag geschlossen war. Noch im September war das anders gewesen. So mussten wir anschließend doch wieder in die U-Bahn einsteigen und mangels Alternativen zum Fake Market weiterfahren.
17. Oktober (Dienstag)
Zunächst besuchten wir eine reguläre Englischstunde – zumindest wurde sie als solche angekündigt.[44][44] Einer der Austauschschüler erzählte hinterher, dass es eine reine Show-Stunde extra für uns gewesen sei. Obwohl der Klassenraum etwas kleiner als bei uns war, drängten sich dort bereits 45 chinesische Schülerinnen und Schüler, als wir 30 Personen den Raum betraten.
Im Yu-Garden sieht man gut die Gegensätze zwischen Altem und Modernem, die China ausmachen.
Dies war auch die Zusammenfassung der anschließenden Chinesisch-Stunde, die der nette und engagierte Student, der uns etwas beibringen sollte, vor allem dazu benutze,
Die Jiuqu Brücke und die Altstadt sind zwar schön anzusehen, allerdings auch mit Touristen überlaufen. Ich halte beide für überbewertet.
Dann folgte das Unterrichtsfach „Blumenkunst“. Dabei nahmen wir ein Blatt und entfernten vorsichtig mit einer Zahnbürste die gesamte Haut des Blattes, sodass nur noch das Gerüst übrig blieb, und bemalten es anschließend wieder. Das Ergebnis sah in den meisten Fällen sehr ansprechend aus.
Nach dem Mittagessen ging es dann zum Yu-Garden, den wir eigentlich schon am Vortag besichtigen wollten. Immerhin war diesmal das Wetter besser, die Stimmung gut und wir konnten den netten Garten und die umliegende Altstadt, die immer noch völlig überlaufen war, besuchen. Etwas schade war, dass mal wieder eine kompetente Führung fehlte, sodass unsere Schüler den Garten viel zu schnell verließen, obwohl es dort sehr viel zu sehen gab.
18. Oktober (Mittwoch)
Dies war ein beispielhafter Tag für die tolle Organisation, die uns hier vor Ort zuteil wurde. Beim Frühstück traf ich Aihua und befragte sie zum Programm des heutigen Tages. Es sollte zur Tongji-Universität gehen, aber mir war in keinster Weise klar, was dort eigentlich für die Schüler an interessantem und/oder lehrreichem Programm geboten würde.
Das kleine chinesische Theater kommt bei den Kleinen gut an.
In der Schule befragte ich ihren Angestellten Markus, wie er sich den Vormittag vorstellen würde. Er erzählte mir, dass wir um 9.00 Uhr zur Uni aufbrechen würden, wo er dann ein paar Worte sagen würde. Eine Führung gäbe es nicht. Ich fragte ihn, warum wir erst so spät begännen und nicht sofort (also um 8.00 Uhr) losfahren würden, aber er stotterte vage, er hätte noch etwas bis dahin zu tun. Er wusste auch nicht, was wir bis dahin tun sollten. Eine Viertelstunde später sattelten wir überraschend die Pferde, was uns natürlich deutlich entgegenkam. Deswegen fragte ich lieber gar nicht nach, wie dieser Sinneswandel zustande gekommen war.
Markus sprach von einer einstündigen Fahrt und ließ sich auch nicht von meiner App, die nur 30 Minuten veranschlagte, davon abbringen. Deswegen gab ich in den U-Bahn-Stationen lieber die Richtung an, bevor wir noch irgendeinen komischen Umweg einschlagen würden. Ich hatte sowieso das Gefühl, mittlerweile folgten die Schüler lieber mir als ihm.[46][46] Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich sage, dass die App gewonnen hat.
An der Uni angekommen hieß es, dass wir noch auf die Schülergruppe einer der anderen Schulen warten müssten, die noch eine halbe Stunde brauchen würde, weil – so stellte sich später heraus – ihnen gesagt worden war, dass sie erst später losfahren sollten. Wir verließen schon mal die U-Bahn-Station, um oben an der frischen Luft zu verweilen. Dabei trafen wir eine dritte Gruppe aus unserem Verbund, die schon eine halbe Stunde sehnsüchtig wartete, weil ihr ein früherer Zeitpunkt gesagt worden war. Sie waren hocherfreut, endlich bekannte Gesichter zu sehen und nicht mehr alleine ohne irgendeine Informationen dazustehen.
Währenddessen stellte sich heraus, dass eine Schülerin an der Schule vergessen worden war, ohne dass es jemand gemerkt hatte. Da es keine von den unsrigen war, betrachteten Isabella und ich es seltsamerweise nicht als unsere Aufgabe, auf die Schüler der anderen Gruppe zu achten, die direkt von Markus beaufsichtigt wurden.
Endlich waren alle da und die Besichtigung konnte beginnen. Markus hat sich gut vorbereitet und immerhin heute Morgen um 6 Uhr ein paar Fakten bei Wikipedia abgeschrieben, die er in einem zweiminütigen abgelesen Vortrag darbot.[47][47] Hätten meine Fünftklässler so ein Referat gehalten, dann hätte ich es ihnen um die Ohren gehauen. Anschließend ging es in das Universitäts-Museum, das nur so mittelmäßig interessant war. Die Stimmung war insgesamt eher im Keller, bis wir mit dem Fahrstuhl in einem Hochhaus der Uni nach oben fuhren und die Aussicht genossen. Das war immerhin ein versöhnlicher Abschluss der Aktion, denn den Ausflug in die Bibliothek, der für die Schüler noch geplant war, sparten wir uns und widmeten uns lieber dem Programm, das Isabella und ich selber organisiert hatten.[48][48] Dann weiß ich wenigstens, wer schuld ist, und muss mich nicht über andere ärgern.
Blick auf den Bund.
Jetzt gab es keine Ausrede mehr und wir folterten die armen Jugendlichen und schleppten sie ins Shanghai Museum, das schon am Montag dran sein sollte. Diesmal war es auch geöffnet und ich glaube, es war gar nicht so schrecklich für sie, wie sie gedacht hatten. Bohren beim Zahnarzt ist auf jeden Fall schlimmer. Danach kehrten wir gemeinsam in einem Restaurant ein, das Isabella und ich am Vortag ausgekundschaftet hatten. Jeder durfte sich etwas von der Karte aussuchen, das dann gemeinschaftlich verzehrt wurde. Ich wollte heimlich auch ungewöhnliche Dinge wie Schlange auf den Speiseplan setzen, aber das war gar nicht nötig, weil die Schüler gerne experimentierten und es schon selber bestellten.
19. Oktober (Donnerstag)
Mit der Fahrt zum Flughafen und dem erfreulicherweise ereignislosen Flug endete die Reise nach China. Trotz aller Anstrengungen hat es Spaß gemacht, mit den Schülern unterwegs zu sein und sie außerhalb des normalen Schulbetriebs zu erleben.
Katzen und Hunde werden nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung als Nahrungsmittel betrachtet und sind in dieser Funktion sehr umstritten. Meist sind sie heute verhätschelte Haustiere, für die viel Geld ausgegeben wird.
Liebe Schüler, wenn ihr die Möglichkeit habt, an so einem Austausch teilzunehmen, dann nutzt sie! So eine Fahrt bietet wunderbare neue Erfahrungen und für euch ist es viel entspannter als für die aufpassenden Lehrer, denn viele Probleme, die hier auftraten, würdet ihr sowieso nicht mitbekommen.