Griechenland
Auf den Spuren der europäischen Zivilisation
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Prolog
Ich vermisse im Flugzeug immer noch die Durchsage: „Bei einem Druckverlust fallen Sauerstoffmasken von der Decke. Setzen Sie zunächst sich selber die Maske auf und helfen Sie erst dann Ihrem Kind. Wenn Sie zwei Kinder haben, dann ist jetzt der Zeitpunkt sich zu entscheiden, welches Sie lieber mögen.“[1][1] Ich würde so eine Durchsage vermutlich sowieso nicht mitbekommen, da ich bei der Sicherheitsbelehrung genauso gut zuhöre wie meine Schüler im Unterricht.
Ebenso vermisst man heutzutage auch die Mahlzeit im Flugzeug. Das Essen auf dem Flughafen von Amsterdam, wo Dirk und ich umstiegen, sah erschreckend wenig einladend aus. Fast wäre Burgerking die beste Alternative gewesen, was schon sehr bedenklich ist. Aber da die Schlange dort zu lang war, gab es ein Panini auf die Hand, das erstaunlich lecker schmeckte.[2][2] Wenn man nichts erwartet, dann wird man auch nicht so leicht enttäuscht.
„Für den Start dimmen wir aus Sicherheitsgründen das Kabineninnenlicht.“ Aus Sicherheitsgründen? Könnte es den Piloten blenden? Trotz dieser Unsicherheiten und obwohl ich mein Handy doch nicht im Flugmodus hatte, landeten wir sicher in der griechischen Hauptstadt.
Die Akropolis von Athen thront ca. 60 m über dem Rest der Stadt und ist dadurch bei Tag und Nacht gut aus der Ferne zu fotografieren.
26.3. (Sonntag)
Die Nacht war besonders kurz, da zusätzlich in dieser Nacht die Zeitumstellung auf die Sommerzeit stattfand. Natürlich war unser erster Anlaufpunkt das Frühstück,
Oben auf dem Hügelchen war es ziemlich voll mit Touristen, obwohl gerade noch Vorsaison war. Man möchte sich nicht vorstellen, was in der Hauptsaison dort los ist.
Die Akropolis[5][5] Griechisch für „hohe Stadt“. von Athen war bereits in der Jungsteinzeit besiedelt und ab dem 14. Jahrhundert v. Chr. wurde von hier aus die Umgebung kontrolliert und verwaltet. Ab dem 5. Jh. v. Chr. wurde aus der Festung eine Tempelanlage, deren Reste, vor allem der Parthenon, das heutige Aussehen prägen. Wir fanden die Akropolis ein wenig überbewertet, wenn auch nicht so stark wie die kleine Meerjungfrau von Kopenhagen.[6][6] Vgl. https://www.in-80-wochen-um-die-welt.de/ostseetournee.php
Anschließend besuchten wir das dazugehörige Museum. Ich hatte dabei einen deutlichen Mittags-Durchhänger, der erst besser wurde, nachdem wir zehn Minuten lang einen Film zur Entstehung gesehen hatten. Nur böse Zungen behaupten, dass ich zwischendurch ein kleines Nickerchen gemacht hätte.
Durch eine geschickte Perspektive kann man den Parthenon schön und weitgehend ohne Baumaschinen und Touristen ablichten.
Informativer wurde es am späten Nachmittag beim Stadtrundgang mit typischen griechischen Führern: ein Ire und ein in Ausbildung befindlicher Australier. Es nahmen mit uns nur vier Touristen an der dreieinhalb Stunden langen Free Walking Tour teil, sodass alle unsere Fragen beantwortet wurden, auch wenn ich manche Antworten anzweifeln muss. So wurden sich die Führer und Dirk nicht einig, warum der berühmte Marathon-Läufer die 42 km zurück nach Athen gerannt sei.[7][7] Die Wahrheit ist wie immer viel schlimmer: Die Legende vom Marathon-Läufer ist bei Herodot – der wichtigsten Quelle – nicht belegt und vermutlich Fake-News aus dem 4. Jh. v. Christus.
27.3. (Montag)
Zunächst holten wir „unseren“ Nissan Micra ab, der doch kleiner ausfiel als gedacht. Andererseits sind wir auch etliche Straßen gefahren,
Sage mir, wie schnell ich fahren darf, und ich sage dir, wie viel ich darüber bin.
Der Straßenverkehr in Griechenland verlief eigentlich relativ gesittet, nur die Fahrer der Motorräder und Mofas, die in Athen mit hoher Geschwindigkeit knapp rechts oder links an uns vorbei wuselten, spielten für meinen Geschmack zu sehr mit ihrem Leben. Die Geschichte Griechenlands beginnt salopp gesagt um 1600 v. Chr. mit der mykenischen Kultur, der ersten Hochkultur des europäischen Festlands.[8][8] Zu der Zeit lebten wir hier in Deutschland quasi noch auf Bäumen. Sie schrieben mit der Linear-B-Schrift und sprachen eine frühe Form des Griechisch. Die meisten Informationen haben Archäologen allerdings aus den umfangreichen Grabbeigaben entnommen. Deshalb standen die Funde aus Schachtgräbern und Tholos-Gräbern im archäologischen Nationalmuseum von Athen im Mittelpunkt. Die Struktur der Ausstellung leuchtete mir nicht immer ein, aber die Informationen waren umfangreich, sodass wir uns lange im Museum vergnügten. Anschließend fuhren wir auf den Berg Lykabettos, der tatsächlich ein wenig höher als die Akropolis ist und einen guten Ausblick auf selbige gestattet.
Der Kanal von Korinth ist unten nur 25 m breit, kann aber bis zu 320 km Weg abnehmen.
In Griechenland laufen unwahrscheinlich viele Hunde und Katzen scheinbar besitzerlos durch die Gassen. Die meisten sehen überraschend gepflegt aus und es gibt wohl auch Leute, die in ihrer Freizeit herumfahren und die Tiere füttern.[9][9] Dass die Vierbeiner nicht alle hungrig sein können, zeigte sich auch daran, dass Dirk an einem anderen Tag einem bettelnden Hund mehrfach ein Stück Brot anbot, das dieser freundlich, aber ein wenig beleidigt, zurückwies. Beim heutigen Abendessen wurden wir besonders umlagert. Ein bellendes Kalb hatte uns als schützenswert auserkoren und verteidigte uns lautstark gegen andere Hunde, Katzen und Kellner, die mit Spritzwasser angriffen.[10][10] Weder die Kellner noch der riesige Hund griffen dabei uns an.
28.3. (Dienstag)
Frühstück war heute theoretisch in der Übernachtung mit drin, aber es bestand lediglich aus ein paar Scheiben Toast und Zwieback,
Bei den wenigen Säulen, die in Korinth noch stehen, ist es schwierig, sich die antike Stadt vorzustellen.
Danach wollten wir die Ausgrabungsstätte von Korinth besichtigen, die direkt bei unserem Hotel um die Ecke lag. Dabei stellte sich zu meinem Entsetzen heraus, dass diese dienstags nicht geöffnet hatte. So blieb uns nur, am Zaun der antiken Stätte vorbei zu flanieren, was sich als Glücksgriff erwies. Die Übersicht von dort war aufgrund der erhöhten Position deutlich besser als zwischen den Steinen selbst und Informationstafeln hätte es sowieso nicht gegeben. Einzig übrig gebliebene Enttäuschung: Wir wissen nicht, wie viel Geld wir gespart haben. Auch unser etwas übergriffiger „Freund“ vom Vortag war wieder dabei, folgte uns aufmerksam um die Anlage, markierte zwischendurch mal sein Revier, wartete geduldig, wenn wir zum Fotografieren anhielten, und stand gerne im Weg herum, wenn wir weiter gingen. Er verließ uns erst, als wir in Richtung Auto abbogen. Teilweise war mir nicht klar, wie schnell man fahren durfte. Meist hielt ich mich an die einfache Daumenregel: Wenn ich zu den Vorderleuten aufschließe, dann habe ich das Tempolimit übersehen
Das Amphitheater von Epidauros macht auch heute noch einen formidablen Eindruck.
Mit dem Auto ging es hoch hinauf zur Burgfeste Akrokorinth, die majestätisch über dem Ort thront. Obwohl ich die Burg aufgrund ihrer Lage und des dreifachen Mauersystems für relativ uneinnehmbar gehalten hätte, wechselte sie in den gut 2000 Jahren, die sie als Zufluchtsort diente, gefühlt wöchentlich den Besitzer. Anders eindrucksvoll wurde es beim großen Amphitheater von Epidauros. Es fasst bis zu 14.000 Zuschauer[11][11] Gut, dass die nicht alle vor Ort waren. und wird auch heute noch bespielt. Nebenan befand sich die antike Kultstätte für den Heilgott Asklepius. Sehr beliebt war es, im Tempel zu schlafen und im Traum von den Göttern zu erfahren, welche Heilmethode die richtige sei. Manche Schüler von mir versuchen, dieses Verfahren auch in der Schule anzuwenden: Sie träumen während des Unterrichts und hoffen, dass ihnen die Götter das Wissen im Schlaf vermitteln.[12][12] Erfahrungsgemäß ist die Methode nicht sehr erfolgreich.
Auch eine Wasserburg beschützt die Hafenstadt Nafplio.
29.3. (Mittwoch)
In der Stadt Mykene lag der Ursprung der mykenischen Kultur, deren ausgegrabene Kunst wir bereits im Museum in Athen bewundert hatten. Heute inspizierten wir die Reste der Siedlung persönlich. Aber auch die Aussicht auf das Umland war malerisch und wir konnten uns nahezu alleine völlig entspannt in Ruhe die antike Stätte erschließen. Dann kamen die Busse mit den Schulklassen …[15][15] Die sind komischerweise im Museum nicht angekommen.
Das Kloster Panagias Filosofou hängt am Felsen und diente früher als geheime Schule. Es war in unserem Reiseführer falsch bezeichnet. Vermutlich haben es deswegen die Osmanen nicht gefunden.
Danach stand die Louisos-Schlucht auf dem Programm. Die große Ganztages-Wanderung wollten wir uns ersparen, woran wir wohl auch gut getan haben. So spazierten wir ein wenig in die Schlucht hinein, besuchten die Ausgrabungsstätte von Gorkys und suchten lange nach dem in den Felsen hängenden Kloster Prodromu, das auf unserer Seite der Schlucht zu sehen sein sollte. Einfacher wurde es, als sich herausstellte, dass das Kloster auf der anderen Seite hing und stattdessen Panagias Filosofou hieß. Weiter ging es über die schlechtesten Straßen, die ich seit meiner Island-Reise in Europa gefahren bin, bis wir am Ende des Tages in der hübschen Kleinstadt Dimitsana strandeten, die malerisch oben am Berg lag. Tagsüber waren wir noch im T-Shirt unterwegs, aber abends war es dort (auf 1000 m Höhe) so kalt, dass wir trotz Pullover und Jacke nur einen kleinen Spaziergang unternahmen.
30.3. (Donnerstag)
Im 11. Jh. vor Christus verschwand die mykenische Kultur aus bisher nicht vollständig geklärten Ursachen von der Bildfläche. Ab 800 v. Chr. trat an dessen Stelle das antike Griechenland,
Der Begriff „Gymnasium“ kommt vom griechischen Wort für „nackt“, weil die Sportler dort genau so trainierten. Ich persönlich bin froh, dass sich die Bedeutung gewandelt hat, und meine Schüler vermutlich auch.
Die Fahrt nach Olympia führte uns über viele kleine einsame Straßen, sodass es eine Freude war.[16][16] Keine Ironie: Kleine Bergstraßen und Serpentinen machen mir einfach Spaß, wenn ich niemanden vor mir habe, der mich ausbremst. An den letzten Ausgrabungsstätten hatte uns gestört, dass wir Probleme hatten uns vorzustellen, wie die Ruinen zu den früheren Gebäuden gepasst haben. Einen Führer, der uns bei der Visualisierung helfen konnte,
Vor dem Zeustempel, in dem die Zeus-Statue, eines der sieben Weltwunder der Antike, stand, widmeten Dirk und ich uns den kleinen Wundern.
Großartige Leute aus großer Ferne werden kommen, um mich zu bewundern!“, wurde einst im Apollo-Tempel von Delphi orakelt. Diese Weissagung ist eingetroffen.
31.3. (Freitag)
In Griechenland war es normalerweise einfach, mit Englisch durchzukommen. Die meisten Leute lernen es bereits in der Schule und haben viel Motivation dazu, weil es die neuesten Serien und Filme halt nicht auf Griechisch zu sehen gibt. Bei der älteren Generation ist es manchmal etwas schwieriger, aber auch dort hatten wir selten Probleme. Nur heute verstand unser Gegenüber uns plötzlich nicht mehr, als wir auf den am Vortag vereinbarten Parkrabatt beharrten.[17][17] Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Schließlich lenkte er aber doch noch ein. Delphi, in der Antike der Mittelpunkt der Welt, wartete mit vielen überragenden, stets eintreffenden Vorhersagen auf. Das Problem dabei: Sie waren eindeutig doppeldeutig und die meisten bis heute überlieferten sind legendarisch oder fiktiv.
Wegen der Vorsaison waren weniger Touristen unterwegs, was diese aber nicht zu wissen schienen.
Ich hatte das Gefühl, dass ich von dieser Ausgrabungsstätte mehr mitgenommen habe als von den anderen – mit Ausnahme von Olympia. Die Schautafeln boten mehr Informationen zu dem, was hier mal war, als anderswo. Das anschließend besuchte Museum brachte leider zu wenig Informationen zum geschichtlichen Ablauf. Vielleicht war da unsere Aufnahmekapazität auch schon an ihre Grenzen gestoßen. Bei unserer Rundreise sahen wir viele verlassen wirkende Häuser, wobei wir nicht eruieren konnten, woran das lag. Entweder verbringen die Griechen ihre Zeit gerne hinter verschlossen Jalousien, oder es waren alles Ferienhäuser, die noch auf die Mieter in der Hauptsaison warteten. Eventuell sind in den letzten Jahren auch so viele Einheimische abgewandert, dass nun viele Behausungen leer standen.
1.4. (Samstag)
Ab heute waren wir nominell in der Hauptsaison angekommen, was sich vor allem dadurch bemerkbar machte, dass wir nun den regulären Eintrittspreis und nicht den reduzierten bezahlen mussten.
Das Kloster von Daphni war nett anzusehen und kostenlos. Wir haben es dort noch nicht mal geschafft, eine Spende loszuwerden.
2.4. (Sonntag)
Die See war so kabbelig, dass per Lautsprecher vor unnötigen Gängen durch das Schiff gewarnt wurde, wobei ich selber an Board davon nur wenig bemerkt habe. Andererseits ist es schon erstaunlich, dass man bei so einem großen Schiff überhaupt etwas vom Seegang mitbekommt. Die Fähre legte am nächsten Morgen so sachte in Heraklion an, dass wir aus Versehen fast an Board geblieben wären. Mit dem Taxi ging es zum Flughafen, wo wir unser „neues“ Auto in Empfang nahmen. Laut Maria sollte es „das beste Auto der Autovermietung“ sein. Dann bin ich froh, dass wir kein anderes bekommen haben, denn bereits dieses zeichnete sich dadurch aus, dass es manchmal grundlos nicht ansprang. Dann gingen zwar die hübschen Leuchten im Cockpit an, aber es bleib absolut ruhig und kein Anlasser dreht den Motor. Immerhin funktionierte es jedes Mal ein bis zwei Minuten später erneut.
Chanias Hafenpromenade wirkte mit den weißen Bergen im Hintergrund besonders schön.
Erstes Ziel heute war Chania weit im Westen der Insel, das durch seinen netten Stadtkern und die hübsche Hafenpromenade bestach. Auch die vorgelagerte Festung passte gut ins Bild. Leider waren uns die Museen nicht wohlgesonnen: Das eine war sonntags geschlossen, das zweite gleich die ganze Saison. Lediglich das Waffenmuseum nahm sich unser an.
Danach besichtigten wir das Kloster Agia Triada (der Dreifaltigkeit) auf der Halbinsel Akrotiri, der am weitesten entfernte Punkt von unserem Hotel, den wir während der Tage auf Kreta erreichten. Tatsächlich war Kreta größer als erwartet und es hätte sich vermutlich gelohnt, zwischendurch mal das Hotel zu wechseln, um weniger Fahrtzeit zu den verstreuten Attraktionen zu haben. Das Kloster ist angeblich das größte noch bewirtschaftete Kloster Kretas, auch wenn es eher so schien, als ob es nur noch vier[20][20] Das war Dirks Vermutung: Einer an der Kasse, einer im Shop, ein Priester, der sich zwischendurch in der Soutane zeigte, und ein vierter in Reserve. Mönche hätte.
Das Kloster Agia Triada wurde 1821 in der Revolution gegen die türkischen Besatzer wiederaufgebaut und gleicht von außen (rechts und links am Rand zu sehen) einer Festung, was auf der Insel keine Seltenheit ist.
3.4. (Montag)
Bevor ich einwilligte, mit meinen Neffen nach Kreta zu fliegen, hatte ich mehrfach nachgefragt, ob sie dann auch wirklich alte Sachen mit mir besichtigen würden.
Manchmal benötigt man schon eine gewisse Fantasie, um sich den ursprünglichen Zustand vorstellen zu können.
Die übrig gebliebenen bildlichen Darstellungen im Palast (keine Jagdszenen und keine Kämpfe) wiesen darauf hin, dass es sich um eine matriachale Gesellschaft, bei der Frauen wichtiger waren als Männer, gehandelt haben könnte. Auch wenn unsere Führerin dies als gesetzt hinstellte, ist diese These in der Fachwelt umstritten. Genauso umstritten ist die Rekonstruktion, die Arthur Evans Ende des 19. Jahrhunderts anfertigen ließ. Sie ist der Grund, dass der Palast von Knossos nicht zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde. Nach dem Mittagessen ging es ins archäologische Museum von Heraklion, wo die Kinder erwartungsgemäß bald wieder mit Besichtigen fertig waren, aber auch Dirk und ich waren diesmal deutlich schneller unterwegs als die Tage zuvor,
Zu Beginn war die Höhle noch hell und einfach zu begehen.
4.4. (Dienstag)
Ganz anders war das heutige Programm. Als erstes besuchten wir die Höhle von Skotino, die touristisch gar nicht erschlossen war, was bedeutete, dass es weder Licht noch Befestigungen zum Hinunterklettern gab. Es wird ein wenig davor gewarnt, zu weit hineinzugehen, weil immer mal wieder Touristen verunglücken, was ich mir sehr gut vorstellen kann. Trotzdem rückten – zumindest die Kinder und ich – ca. 150 m mit unseren Handys als Taschenlampe bewaffnet vor. Ein weiteres Erkunden hätte dann eines Seils zum Sichern bedurft, sodass wir Abstand davon nahmen, aber es war mal ganz interessant, eine Höhle selber zu erkunden, und mit der richtigen Ausrüstung hätte es wirklich spannend werden können.
Die charakteristischen Windräder der Lasithi-Hochebene, die der Ebene im Frühsommer das Aussehen einer großen Wiese mit Margeriten verliehen, wurden wegen des Absinkens des Grundwasserspiegels inzwischen weitgehend durch Wasserpumpen mit Dieselmotoren ersetzt.
Irgendwie werden unsere Reiseanbieter immer unzuverlässiger: Der ursprünglich gebuchte Hinflug von Dirk und mir war abgesagt worden, wodurch wir einen Tag später starten mussten. Unsere Rückflüge wurden gestrichen, sodass ich dann drei Tage länger blieb, bei Dirk waren es „nur“ wenige Stunden – bis heute Abend. Bei meiner Schwester wurde der Hinflug immerhin nur ein wenig verschoben, dafür aber gleich mehrfach. Auch unser Hotel auf Kreta patzte und öffnete plötzlich erst eine Woche nach unserer geplanten Ankunft, sodass wir in ein anderes umgesiedelt werden mussten. Alles war kein Beinbruch, nervte aber deutlich, weil wir bereits anders geplant hatten. Angeblich besaß unser Hotel auch eine Sauna. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass sie ab übermorgen benutzbar sein sollte.
5.4. (Mittwoch)
Nachdem am Vortag ein Kind gar nicht und das andere deutlich verspätet zum Frühstück gekommen war, kamen sie heute so, dass sie – wären sie ein ICE der Deutschen Bahn gewesen – nicht als verspätet gegolten hätten.[23][23] Bei der Schweizer Bahn wäre das anders gewesen. Dort wird ein Zug ab mehr als einer Minute als verspätet gezählt.
Die Zeus-Höhle war ganz anders als die Höhle von Skotino: hell, erschlossen und trotzdem auch schön.
glauben wissen wir doch alle. Kronos, wollte ihn töten und damit Zeus’ Geschrei nicht zu hören war, grunzte die Sau, an deren Zitzen sich der junge Zeus nährte, laut. Aus diesem Grund würde kein Kreter bereit sein, Schweinefleisch zu essen.[26][26] Meine Erfahrungen mit den angebotenen Speisen können dies nicht bestätigen. Diesmal gab es nur Treppen und keine Kletterei wie am Vortag, dafür aber mehr Licht, um die Stalaktiten zu bewundern, und natürlich andere Touristen. Insgesamt hat uns die Höhle vom Vortag besser gefallen hat, da es heute nicht so spektakulär war. Über unzählige Serpentinen, die das Autofahren zur Freude machten, ging es dann nach Plaka und von dort mit dem Schiff nach Spinalonga, eine ehemalige Festungs- und Quarantäneinsel. Da es dort ein Mobilfunknetz gab, ließen Wiltrud und ich den Nachwuchs auf eigenen Wunsch im Schatten eines Baumes zurück.
Spinalonga war zunächst Festungsinsel der Venezianer und dann der Osmanen. Von 1904 bis 1957 war sie Leprakolonie.
Im Hotel erhielt ich die gute Nachricht: Morgen wird die Sauna benutzbar sein.
6.4. (Donnerstag)
Gestern Abend bekamen wir außerdem eine weitere Information freudestrahlend überbracht: Wir „durften“ heute endlich das Hotel wechseln und in unser eigentlich gebuchtes umziehen. Wir hatten gar nicht das Bedürfnis danach und waren bisher davon ausgegangen,
Die „Essbare Mittagsblume“ wird hier gerade nicht verspeist, sondern befruchtet.
Da der Nachwuchs nicht im Hotel bleiben konnte, das Wetter für einen Ausflug in den Süden aber zu regnerisch war, konnten wir sie ohne allzu großen Zwang überzeugen, mit ins Natural History Museum von Heraklion zu kommen. Wegen des Erdbebensimulators und des schlechten Wetters, das uns dazu „überredete“, einen interessanten Film über Dinosaurier anzuschauen, blieben wir fast drei Stunden. Die Hauptenttäuschung war vermutlich, dass es zu wenig zu meckern gab. So war die Stimmung bis hierhin ausgesprochen gut. Schließlich besuchten wir noch das Kotsana Museum für altgriechische Technologie. Wem der Name bekannt vorkommt: Es war im Prinzip das gleiche, das wir bereits in Olympia besucht hatten, nur dass es diesmal Eintritt kostete und als Ausgleich zu früh schloss. Trotzdem gefiel es den anderen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war bei der Einfahrt in das neue Hotel die Laune ein wenig angeschlagen. Sätze wie „Die Angestellten sind hier nicht so freundlich.“ und „eine Jugendherberge mit einem Stern mehr“ fielen, was deutlich unfair war. Die Zimmer waren zwar einfacher, aber es war nichts daran auszusetzen und die Leute waren nett. Später stellte sich dann sogar heraus, dass das Essen besser war. Nur eine Sauna gab es nicht.
7.4. (Freitag)
Nach schwierigen Diskussionen konnte sich die Familie immerhin auf ein abgespecktes gemeinsames Programm einigen und selbst die beiden Jungs waren dabei, obwohl es wieder um alte Ruinen ging. So besuchten wir den minoischen Palast von Phaistos, der nach Knossos der zweitgrößte der Insel war und bereits bei den alten Ägyptern um 1400 v. Chr. erwähnt wurde. Vermutlich war die Gegend sogar bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. besiedelt. Nicht ganz sicher sind sich die Historiker, ob das Ende des Palastes durch ein Feuer, eine Naturkatastrophe oder durch Touristen ausgelöst wurde.
8.4. (Samstag)
Kreta hat eine Länge von 254 km, eine Breite von 60 km und eine Höhe von 2,5 km, womit es die fünftgrößte Insel im Mittelmeer ist. Mich hatte bei unserer Ankunft überrascht, dass es trotz seiner relativ südlichen Lage mit Neuschnee bedeckte Berge zu bestaunen gab.[27][27] Ich gehe jedenfalls davon aus, dass die Spitzen nicht nur so aussahen, weil sie weiß angestrichen waren.
Im Kloster Arkadi sieht man an vielen Stellen noch die Einschusslöcher des Kampfes.
9.4. (Ostersonntag)
Die griechisch-orthodoxe Kirche gehört zu den neukalendarischen Kirchen, die seit 1923 den gregorianischen Kalender verwenden, sodass die meisten kirchlichen Feiertage – wie z. B. Weihnachten –
Die kleine Kirche Agios Nikolaos schmiegt sich pittoresk unter einen Berghang in der Kotsifou-Schlucht.
Die beiden Kinder waren völlig erschöpft vom anstrengenden Vortag, sodass wir heute einen Ruhetag einlegten.[29][29] Vielleicht waren sie auch nicht mit dem Nichtstun fertig geworden. Trotzdem spazierten wir immerhin zwei Stunden am Wasser entlang, um dann später noch mal mit Badesachen zurückzukommen und zumindest kurz in das kühle Nass zu springen. Nur mein ältester Neffe ließ sich den ganzen Urlaub partout nicht dazu überreden, mehr als einen Finger in Pool oder Mittelmeer zu stecken. Gerüchteweise hat er aber wenigstens mal geduscht.
10.4. (Montag)
Ein letztes Mal ging es für mich in die Berge hinein. In Archanes wollten wir eigentlich minoische Gräber anschauen, mussten uns dann aber mit einem Spaziergang durch die schöne Umgebung und mit herrlichem Ausblick „zufrieden“ geben. Das kleine Museum der Ortschaft hat selbst die beiden Jungs nicht überfordert, sodass wir dort noch mal ein wenig Kultur schnuppern konnten. Die Highlights, die in der Umgebung ausgegraben worden waren, lagerten allerdings alle im archäologischen Museum von Heraklion, wo wir sie zwar theoretisch bereits gesehen, ihnen allerdings vielleicht nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hatten.
Epilog
Am Dienstag musste ich dann wieder nach Hannover aufbrechen, der Rest der Familie konnte noch einen weiteren Tag vor Ort bleiben, bevor es in die Heimat zurückging. Ich denke, wir haben uns zu viert gut arrangiert und konnten den beiden Pubertieren ein Programm bieten, das ihnen einerseits einiges an Bildung vermittelte, sie andererseits aber nicht überforderte. Ich vermute, das waren genau die gleichen Konflikte, die unsere Eltern ein paar Jahrzehnte früher auch mit uns hatten. Ich weiß noch gut, dass ich die Museen meist als erster verließ, unseren Königspudel aus dem Auto befreite und dann zusammen mit ihm im Schatten saß und las.[30][30] Nein, der Hund las meistens nicht. Ich vermute, er war Analphabet.